„Putschversuch“ in der DR Kongo: Kalaschnikow im Livestream

Eine seltsame bewaffnete Truppe stößt in Kinshasa bis zum Amtssitz des Präsidenten vor. Sie nennt sich „New Zaire“, ihr Chef lebte zuletzt in den USA.

Blick auf die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo Kinshsa, zu sehen ist eine Straße, Hochhäuser und Bäume

Foto: XinHua/dpa

KAMPALA taz | Der Angriff ereignete sich am Pfingstsonntag, frühmorgens gegen vier Uhr. In Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, war es noch stockdunkel, als sich ein Geländewagen und ein Bus mit dem Logo der Stadtwerke der Residenz des Politikers Vital Kamerhe näherte.

Knapp zwanzig schwer bewaffnete Männer in Flecktarnuniformen, bewaffnet mit Maschinenpistolen und Drohne lieferten sich ein kurzes Feuergefecht mit den Polizisten am Hoftor. Ein ähnliches Szenario passierte gleichzeitig vor den Villen von Verteidigungsminister Jean-Pierre Bemba sowie der neuen Premierminsterin Judith Suminwa.

Dann ging es weiter zum „Palast der Nation“, offizieller Wohn- und Amtssitz des Präsidenten Felix Tshisekedi direkt am Kongo-Fluss und eines der bestbewachten Gebäude des Landes. Videos, die die Angreifer selbst filmten und per Livestream via Facebook ins Internet stellten, zeigen, wie die Soldaten der Präsidentengarde im Zickzack davonlaufen. Die Angreifer filmen sich, wie sie vor dem Haupteingang herumstolzieren. Ihr Anführer, Christian Malanga, prahlt in die Kamera, eine Kalaschnikow lässig um den Hals.

Dann treffen Einheiten der Armee ein und beenden das Spektakel. Auf einem weiteren Video sieht man später Malanga tot im Gras, eine Kugel in der Brust. Vier seiner Kameraden wurden bei den Gefechten getötet, 14 wurden festgenommen. Sie alle trugen die grüne Flagge mit der Fackel in der Mitte: die Nationalflagge von Zaire, wie die DR Kongo bis 1997 hieß, unter der Herrschaft von Diktator Mobutu Sese Seko. „New Zaire“ nennt sich die Gruppe.

Anführer Christian Malanga lebte in den USA

Die Hintergründe erscheinen bizarr. Christian Malanga ist ein ehemaliger Armeehauptmann. In den Kriegswirren der 1990er Jahre flüchtete er in die USA, absolvierte ein Pilotentraining und öffnete dann einen Autohandel im Bundesstaat Utah. Auf einem Video aus seiner Villa in den USA zeigt er Pistolen, halb- und vollautomatische Waffen. Laut seiner Internetseite ist Malanga Gründer und Vorsitzender der „Vereinten Kongolesischen Partei“ (UCP), eine „Regierung im Exil“.

Auch in Afrika ist Malanga geschäftlich aktiv, darunter im Goldhandel. Im April gründete er in Mosambik eine Goldfirma gemeinsam mit zwei US-Geschäftspartnern, Benjamin Zalman-Polun und Cole Ducey, zwei junge Männer, die bislang ihr Geschäft mit Cannabis und E-Zigaretten in Kalifornien gemacht hatten. Über ihre Freundschaft mit Malanga verschlug es sie offenbar nach Afrika.

Jetzt wurden sie von kongolesischen Soldaten barfuß aus dem Wasser gezerrt, als sie sich nach dem Putschversuch in den Kongo-Fluss hinter dem Präsidentenpalast retten wollten. Auf einem Video sieht man Zalman-Polun, wie er die Soldaten um Gnade bittet, auf einem weiteren liegt er offenbar in einer Gefängniszelle nackt auf dem Boden und wird gefoltert.

Unter den Verhafteten soll sich auch Malangas Sohn Marcel befinden, der in den USA geboren und damit US-Bürger ist und in Salt Lake City aufwuchs. Er trug eine schwarze Kampfuniform mit schusssicherer Weste und US-Flagge auf der Brust.

Kongos Geheimdienste spinnen nun die absurdesten Geschichten: Malanga und seine Gefährten seien CIA-Spione. Staatstreue Medien vermuten Ruanda hinter dem Angriff. Auch russische Geheimdienste werden in Erwägung gezogen.

Wahrscheinlicher ist, dass der Angriff inszeniert wurde. Vital Kamerhe, dessen Residenz zuerst angegriffen wurde, wird als nächster Parlamentspräsident gehandelt, das wichtigste Amt in Kongos Staat nach Präsident und Premierminister. Der enge Zirkel um Präsident Tshisekedi sieht Kamerhe als Konkurrenz, weil er mächtige Netzwerke im Osten pflegt, wo er herstammt, und in der Südregion Katanga, wo die meisten Minen liegen.

Der kuriose Pfingstangriff fällt mitten in die Zuspitzung der politischen Rivalitäten in Kongos noch laufender Regierungsneubildung nach den Wahlen von Ende 2023.

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