Portrait eines Paares: Beide für sich und doch verbunden

Das Paar im Zug hatte nicht den gleichen Humor. Aber das machte nichts. Es reichte, dass sie lachte und er sie für ihr Lachen liebte.

Ein Paar sitzt zwischen gelben Blättern im Volkspark Humboldthain in Berlin auf einer Bank.

Wenn die Kopfhörer weg sind und die Zugfahrt vorbei ist: Paar-Harmonie im Park Foto: dpa | Sebastian Gollnow

Vorne, in der Spiegelung der Scheibe ist ein Paar zu sehen. Ein Mann sitzt am Fenster. Eine Frau am Gangplatz. Die beiden wirken wie aufgenommen in einem impressionistischen Bild, in dem die Umrisse weich und verschwommen sind. So indirekt in der Spiegelung scheinen sie mehr wie eine Geschichte, mehr wie das Porträt eines Paares als ein Paar selbst.

Draußen vor ihrem Fenster ist die Nacht schon schwarz. Es ist eine lange Fahrt im Fernzug, in der jede Person zwischenzeitlich ruhig geworden und in eine Innenwelt getreten ist.

Beide, der Mann und die Frau, haben Kopfhörer auf, sie sind jeweils für sich nebeneinander in einer akustisch anderen Welt.

Die Frau lacht immer wieder. Ihr Körper wackelt. Sie prustet. Der Mann schaut sie mehrmals von der Seite an, während sie sich für sich amüsiert. Er wirkt fast, als würde er sich ausgeschlossen fühlen von ihrer Welt oder als hätte er Angst, etwas zu verpassen. Als verspürte er dieses unbestimmte Gefühl von Neid, wenn man eine Gruppe lauthals lachender Menschen sieht, die ganz miteinander verbunden scheinen und man weiß nicht warum. Das Lachen gehört ihnen und ist schön. Und gleichzeitig ist es auch weit weg.

Die Frau ist verbunden mit sich. Sie scheint niemand anderen zu brauchen in diesem Moment.

Da spricht der Mann sie an: „Kann ich mich mal kurz einklinken, über was du dich da so bepisst?“

Die Frau hält inne, tritt aus ihrer Welt hinaus. Sie zieht sich einen Kopfhörer aus ihrem Ohr und reicht ihm den Stöpsel. Dabei hat sie immer noch ein Lächeln im Gesicht. Sie spult etwas im Audiofile auf ihrem Handy zurück, sie braucht etwas Zeit, bis sie die Stelle wieder findet, die sie zum Lachen gebracht hat.

Aus der Lachwelt gerissen

Sie ist nun nicht mehr in ihrer Welt, in dieser Lachwelt, in der sie sich so gefreut hat.

„Da.“ Sie drückt auf Play. Der Mann lauscht. Auf seinem Gesicht ist keine Regung.

Er hört zu, sie wartet ab. Sie hört die Stelle auch noch einmal, lächelt, aber lacht nun nicht mehr ausgelassen.

„Das war die Stelle, wo du so gelacht hast?“, fragt der Mann.

Sie nickt.

Die beiden hören noch etwas weiter. Sie lacht wieder, er nun auch etwas.

Da sitzen sie zusammen. Ein Paar in der Spiegelung der Scheibe, verbunden durch ihre Kopfhörer. Im Lachen getrennt.

Denn der Mann steigt nicht mit darauf ein. Er versteht nicht wirklich, was so lustig ist. Er taucht nicht ein in das, was die Frau da so geritten hat, worüber sie sich so gefreut hat.

Dann ist es vorbei.

Er reicht ihr den Ohrstöpsel zurück. Er kennt nun den Grund, der sie zum Lachen gebracht hat, ohne ihn anscheinend wirklich verstanden zu haben. Die Frau wirkt für einen Moment noch etwas herausgerissen, sammelt sich kurz. Dann hört sie wieder allein und auf beiden Ohren. Der Mann setzt sich andere Kopfhörer auf und hört seine Geschichten.

Minuten vergehen. Der Zug rauscht durch die Nacht. Das Licht leuchtet hart den Wagen aus. Nur das Quietschen der Bremsen ist zu hören, wenn der Zug hält. Ansonsten ist es still. Und dann ist es da wieder, das Geräusch.

Die Frau lacht. Sie lacht ihr prustendes Lachen, bei dem ihr Körper in der Spieglung der Scheibe schaukelt und wackelt. Es ist das Lachen, das ihr gehört.

Der Mann schaut noch einmal zu ihr. Aber er fragt sie nicht mehr nach einem ihrer Kopfhörer. Er lässt sie lachen.

Er blickt sie an, und fast könnte man meinen, er denkt in diesem Moment daran, dass er sie liebt. Dass er einen Menschen liebt, der so lacht.

Die Frau lacht weiter, dann fast erschöpft lehnt sie sich an ihn. Lehnt ihr wackelndes Lachen an den Mann. Und so sitzen sie da. Das Bild von einem Paar. Mit ihren Körpern verbunden in ihrem Lachen.

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Christa Pfafferott schreibt die Kolumne "Zwischen Menschen" für die taz. Sie wurde zum Dr. phil. in art. an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg promoviert. Sie hat zuvor Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert und die Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert. Sie lebt als Autorin und Regisseurin in Hamburg.

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