Politische Umwälzung in Venezuela: Streit um drei Mandate

Am Dienstag tritt erstmals das neugewählte Parlament zusammen. Die Zweidrittelmehrheit der Anti-Chavisten wurde vom Obersten Gericht einkassiert.

Das Gebäude des Obersten Gerichtshofs von Venezuela in Caracas, davor eine Landesflagge.

Die Opposition hadert mit der Justiz. Das Gebäude des Obersten Gerichtshofs von Venezuela in Caracas Foto: reuters

CARACAS taz | In Venezuela stehen die Zeichen weiter auf Konfrontation. Wenn am Dienstag erstmals die neugewählte Nationalversammlung zusammentritt, dann richtet sich darin für die Regierung die rechte Konterrevolution ein. Dieser Interpretation folgend, versucht sie seit ihrer verheerenden Wahlschlappe am 6. Dezember das Parlament zu isolieren und zu blockieren.

Daran, dass das aus Konservativen und Sozialdemokraten bestehende Bündnis „Tisch der Einheit“ (Mesa de Unidad, MUD) in der zukünftigen Nationalversammlung die Mehrheit stellt, besteht kein Zweifel. Mit 112 von 167 Mandaten verfügt sie über die Zweidrittelmehrheit und könnte von der Besetzung und Bildung der Parlamentsausschüsse bis zur Verabschiedung verfassungsändernder Gesetze alles durchsetzen.

Seit der Oberste Gerichtshof jedoch Ende Dezember der einstweiligen Verfügung einer bei der Wahl unterlegenen Kandidatin im Bundesstaat Amazonas wegen eines mutmaßlichen Stimmenkaufs stattgegeben hat, sind die dortigen Ergebnisse vorläufig auf Eis gelegt. Davon betroffen sind drei Abgeordnete der Opposition und einer der regierenden PSUV. Gemäß der richterlichen Entscheidung können die vier ihre Parlamentssitze nicht einnehmen – und damit hätte der MUD auch keine Zweidrittelmehrheit.

Die Opposition spricht von einem juristischen Putsch. „Das Ziel ist einzig und allein, unsere Zweidrittelmehrheit zu verhindern“, sagt Julio Ygarza, einer der betroffenen Amazonas-Abgeordneten. Weder der für diese Maßnahme vorgeschriebene Weg noch die Fristen seien eingehalten worden, klagt Ygarza. Das Vorgehen der obersten Richter sei unrechtmäßig und damit null und nichtig. „Meine Immunität als gewählter Volksvertreter ist bestätigt und ich werde am Dienstag mein Mandat antreten.“

Beide Seiten gehen auf die Straße. Angst vor direkter Kon­frontation wächst

Die Opposition lässt keinen Zweifel daran, dass sie mit allen ihren 112 gewählten Abgeordneten in die Nationalversammlung einziehen wird. Ob und wie und von wem die vorläufig suspendierten Abgeordneten an ihrem Mandatsantritt gehindert werden könnten, ist völlig unklar. Für Dienstag hat sie die Bevölkerung zu einem gemeinsamen Marsch mit allen Abgeordneten zum Parlamentsgebäude aufgerufen und die Nationalgarde an ihre Verantwortung für den Schutz der Institutionen erinnert.

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Angst vor einer gewaltsamen Konfrontation

Denn spätestens seit die Regierung ebenfalls zu einem Marsch zum Parlament aufgerufen hat, geht die Angst vor einer gewaltsamen Konfrontation um. Schon für die Nacht vom Montag auf Dienstag hat das Oppositionsbündnis die Bevölkerung dazu aufgerufen, an den Fenstern und auf den Balkonen ihrer Wohnungen den Anbruch der einer „neuen demokratischen Zeit“ zu begrüßen.

Spekuliert wird darüber, ob der Antritt der suspendierten Abgeordneten der Regierung den Vorwand liefert, das Parlament insgesamt als nicht rechtmäßig abzulehnen. Mit vielen Fragezeichen versehen ist auch die Bildung eines vom Chavismo dominierten Nationalen Kommunalparlamentes, das kurz nach der Wahlniederlage von der Regierung erstmalig einberufen wurde und im Plenarsaal der Nationalversammlung tagt. „Ich werde dem Kommunalparlament alle Macht geben. Es wird eine legislative Instanz des Volkes sein“, sagte Präsident Maduro Mitte Dezember.

Das Parlamento Comunal Nacional ist in der Verfassung verankert, seine Zuständigkeiten sind gesetzlich geregelt. In ihm sitzen Vertreter aus den Räten aller regionaler Kommunen, mit denen die Bevölkerung autonom über ihre Belange entscheiden soll. Das Gesetz lässt jedoch einen großen Spielraum für Interpretationen. Entsprechend streiten sich die Rechtsgelehrten über die Befugnisse dieses Gremiums. In der Vergangenheit wurden die Kommunen und deren Räte vor allem dort aktiviert, wo die chavistische Regierung ihren Einfluss verloren hat.

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