Occupy-Bewegung: Die dunkle Seite des Bankenprotests

Eine obskure US-Vereinigung vereinnahmt die Occupy-Bewegung. Ihre Anhänger geben sich offen, doch auf Kritik reagieren sie empfindlich.

Protest in Frankfurt: Gekidnappt von einer obskuren Bewegung aus den USA? Bild: Thomas Lohnes/dapd

Was ist die Zeitgeist-Bewegung? Die Zeitgeist-Bewegung ist der aktivistische Arm des Venus-Projekts. Muss man das wissen? Nein. Wer es trotzdem wissen will, kann sich in Frankfurt im Protestcamp vor der Europäischen Zentralbank umhören. Am besten bei denen, die den Protest initiiert haben. Man erzählt dort gerne von Zeitgeist, einer obskuren Vereinigung aus den USA, man hält sich kaum bedeckt.

Nach Aussagen eines der Occupy-Organisatoren, selbst Anhänger der Bewegung, sind unter den Protestzeltern vor der EZB rund 25 Zeitgeist-Anhänger. Viele von ihnen reagieren allergisch auf Parteien und Gewerkschaften, im Protestcamp verbieten sie Flaggen und Symbole der Linken und der IG Metall.

Doch was will Zeitgeist? "Das Hauptziel der Bewegung ist das nachhaltige Überleben des Menschen", so steht es auf der deutschen Internetseite von Zeitgeist. "Die Methode, um dieses Ziel zu erreichen, ist die wissenschaftliche Methode. Daraus folgt, dass Politik überflüssig wird, da es nicht um Meinungen geht, sondern um die Anwendung der Wissenschaft auf menschliche Belange."

Es geht nicht um Meinungen? Politik ist überflüssig? Vielleicht sind das Fragen, die man auf der nächsten Versammlung des Frankfurter Camps diskutieren sollte.

"In Griechenland gehört jeder Achte zu uns"

Die Zeitgeist-Bewegung glaubt daran, dass es nicht nur bei den Naturwissenschaften eindeutige Antworten gibt, sondern auch für die Frage, wie man eine Gesellschaft organisiert. Der Guru der Bewegung ist Peter Joseph, der in zwei verschiedenen Filmen eine obskure Mischung von Religionskritik, Esoterik und Verschwörungstheorien, etwa zum 11. September, verbreitet.

"In Deutschland sind wir erst ein Prozent der Bevölkerung, in Griechenland gehört jeder Achte zu uns", sagt einer der Zeitgeist-Camper, der sich "Franky Snatra" nennt. Auf seinem Facebookprofil posiert er mit einem der Zeitgeist-Väter, dem Amerikaner Jacque Fresco. Auf der Facebook-Seite "Occupy Deutschland", auf der eine Diskussion über die Motive von Zeitgeist entbrannt ist, schüchtert Franky den Administrator ein: "Du stehst also so lange unter Beobachtung, bis jeder weiß was für 'ne charakterliche Null du bist. Dir ist noch gar nicht bewusst, wie sehr du dich schon verstrickt hast." Er wirft dem Verwalter der Seite "hetzerisches Tun" vor.

Der Betreiber der Facebook-Seite "Occupy Deutschland" weist auf ein Video hin, in dem angeblich die Zeitgeist-Bewegung den Plan beschreibt, die weltweiten Occupy-Protest zu unterwandern und für ihre Zwecke auszunutzen. Ob das Video tatsächlich von Zeitgeist stammt, ist nicht eindeutig, auch wenn Machart und Inhalt darauf hin deuten.

Auch die Gallionsfigur der Occupy-Bewegung, Wolfram Siener, bekennt seine Nähe zu Zeitgeist. Gegenüber Spiegel Online nennt er die Filme von Peter Joseph, dem Guru der Bewegung, als prägend.

Auch in der Schweiz aktiv

Der Inhaber der Domain zeitgeistmovement-ffm.de, unter der die Internetseite des Frankfurter Zeitgeist-Ablegers firmiert, sitzt ebenso im Frankfurter Camp. Die Frankfurter Neue Presse zitiert ihn namentlich. Auf einer internationalen Zeitgeist-Plattform lud er zwei Tage nach den weltweiten Demonstrationen ein Video hoch, das Zeitgeist-Aktivisten beim Protestieren in Frankfurt zeigt: Sie recken Schilder in die Luft, sie treten ans Mikrofon und rufen Demonstranten dazu auf, die Filme von Peter Joseph zu gucken.

In Hamburg trafen sich die Organisatoren von Occupy zum Vorbereitungstreffen in einer Sportbar, die sich auf Facebook als Hauptquartier des "TZM/TVM Movement" präsentiert. Auf dem Profilfoto ist die Bar von außen zu sehen, behängt mit einem blauen Zeitgeist-Banner. Unter der Facebook-Kategorie "Personen, die inspirieren" hat der Betreiber des Profils ein Bild des Zeitgeist-Gründers Jacque Fresco eingestellt.

Nicht nur in Deutschland gibt es einen Zusammenhang zwischen den Occupy-Protesten vom 15. Oktober und der Zeitgeist-Bewegung. In Zürich protestierten am weltweiten Aktionstag ungefähr 1000 Menschen. Auf der Schweizer Internetseite von Zeitgeist schreibt ein Nutzer: "Am Samstag, den 15. Oktober, findet in Zürich auf dem Paradeplatz eine friedliche Demonstration gegen die Finanzindustrie statt. Das ist eine tolle Möglichkeit die Vision des Zeitgeist Movements unter die Leute zu bringen!" Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet, dass Vertreter von Zeitgeist bei der Züricher Demonstration Informationsmaterial verteilten.

Eklige Holocaust-Äußerungen

Auch in Österreich mischte die Vereinigung im Bankenprotest mit. Die Occupy-Demonstration in Salzburg organisierte Thomas "Tom" Stadlauer. Er ist Inhaber der Domain zeitgeist-movement.at. Dem Netzwerk StudiVZ fiel er auf, als er vorletztes Jahr in einer Zeitgeist-Gruppe über Israel und den Holocaust diskutierte. Nachdem ein Teilnehmer geäußert hatte, der Holocaust sei das Beste, was dem israelischen Volk passieren konnte, riet Stadlauer zur Vorsicht.

Er antwortete: "Ich denke, dass wir als Zeitgeist-Bewegung mehr verändern können, wenn wir uns kein negatives Image machen. Das mit dem Holocaust mag sein wie es will, es ist einfach nur so, dass wir momentan noch in einem System leben, wo du mit derartigen Aussagen große negative Wellen schlagen kannst. (...) Es ist einfach schlauer, sich an gewisse Regeln zu halten und die Informationen subtil zu verbreiten."

Auch außerhalb Europas engagierte sich Zeitgeist in der Anti-Banken-Bewegung. In Los Angeles trat am weltweiten Aktionstag Zeitgeist-Guru Peter Joseph auf. Als der Sprecher von Occupy Vancouver, Matt Berkowitz, in den kanadischen Nachrichten zu den Protesten befragt wurde, trug er ein T-Shirt mit Zeitgeist-Logo.

Zeitgeist tarnt sich nicht, wie es Sekten wie Scientology tun. Im Gegenteil: Die Vereinigung wirbt offensiv, ihre Anhänger geben bereitwillig Auskunft. Zeitgeist selbst bezeichnet sich als globale, nicht-zentralisierte Non-Profit-Organisation. Wenn aber kritische Berichte über die Vereinigung erscheinen, wie im Magazin der Süddeutschen Zeitung, reagieren die Zeitgeist-Anhänger empfindlich. In Leserkommentaren werfen sie dem Autor vor, er sei "ein jämmerlicher Denunziant". Unter den Kommentatoren ist auch Thomas "Tom" Stadlauer, der Organisator der Salzburger Occupy-Proteste.

Die Occupy-Demonstranten sollten aufpassen, dass sie nicht von einer obskuren Bewegung unterspült werden – falls das nicht ohnehin schon passiert ist.

Mehr über die Occupy-Bewegung und andere Themen lesen Sie an diesem Wochenende in der Sonntaz - am Kiosk, eKiosk oder .

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