Militäreinsatz im Kongo: Ein Massaker, viele offene Fragen

Im Kongo suchen Familien nach Vermissten, in Goma kommt es zu Protesten. Letzte Woche hatte die Armee in der Stadt mindestens 43 Menschen getötet.

Uniformierte auf einem Fahrzeug

Screenshot aus einem Video, das die Soldaten in Goma zeigen soll Foto: Screenshot Video VOK/X

KAMPALA taz | Mehrere Tage nach einem Massaker an über 40 Menschen in Ostkongos Millionenstadt Goma suchen viele Familien noch nach Angehörigen. „Wir sind zum Militärgefängnis und bis zur Leichenhalle gelaufen“, berichtet eine Frau aus Goma im Radio. Sie habe ihren Sohn aber nicht finden können. Mittlerweile haben sich hunderte Familien in einem Stadion gegenüber dem städtischen Krankenhaus, in dem sich die Leichenhalle befindet, eingefunden, um ihre Suchaktionen zu koordinieren. Dort hängen Listen aus mit Namen der Toten und Verletzten. In der Stadt kam es am Sonntag zu spontanen Protestaktionen.

In der Nacht auf vergangenen Mittwoch hatte die Armee eingegriffen, um eine geplante Kundgebung von jugendlichen Milizionären der Sekte der Waza­len­do (Patrioten) zu unterbinden, die am frühen Morgen gegen die UN-Friedensmission im Kongo protestieren wollte. Zuvor war die Gruppe gegen einen Polizisten vorgegangen, der später an seinen Verletzungen starb.

Bei dem Armeeeinsatz wurden laut Regierungsangaben von Freitag 43 Menschen erschossen und über 50 verletzt, 158 wurden festgenommen. Unter den Toten ist auch ein Kleinkind, das von einer Kugel in den Bauch getroffen wurde. Nichtstaatlichen Quellen zufolge könnte die Zahl der Getöteten deutlich höher liegen.

Was genau in den frühen Morgenstunden in dem Armenviertel am Stadtrand von Goma geschah, ist ungeklärt. Doch mittlerweile zirkulieren heimlich gefilmte Handy-Videos, die offenbar von Anwohnern aufgenommen wurden. Eines zeigt, dass Soldaten mit Sturmgewehren in die Menschenmenge schossen; in den Reihen der Jugendlichen sind keine Waffen sichtbar. Auf einem anderen Video sieht man Leichen und Schwerverletzte zwischen Holzhütten im Gebüsch liegen. Soldaten stiefeln durch die Leichenberge, um zu prüfen, wer noch lebt. Einige Jugendliche seien sogar auf der Flucht oder in Verstecken erschossen worden, meldeten Anwohner gegenüber dem UN-Sender Radio Okapi. Von einem regelrechten Massaker ist die Rede.

Befehle „von oben“

Während am Samstag die Festgenommenen dem Militärrichter vorgeführt wurden, verlangen zahlreiche nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen Aufklärung. Kongos Armee ist bekannt für ihre Missachtung von Menschenrechten. Die Frage wird laut, wer den Einsatz angeordnet und befohlen hat. Nach taz-Informationen war in jener Nacht eine Spezialeinheit der Präsidentengarde zum Einsatzort geschickt worden. Kurz zuvor war diese in Israel an Taktiken der Aufstandsbekämpfung im Kampf gegen den Terror trainiert worden.

Der Kommandant der Einheit, Oberst Mike Mikombe, sagte dem Magazin Jeune Afrique, er habe die Befehle von „oben“ erhalten. Laut dem Magazin hatte der Oberst vor dem Einsatz sowohl mit Militärgouverneur General Constant Ndima als auch mit dessen Vorgesetztem, Generalmajor Ephraim Kabi, in Kongos Hauptstadt Kinshasa telefoniert.

In einem internen Opera­tionsbericht der Armee, den lokale Journalisten zitieren, bezeichnete die Armeeführung die Wazalendo-Jugendlichen als „Hilfstruppe“ der von Ruanda unterstützten Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März). Die M23-Miliz hatte vergangenes Jahr weite Teile der Provinz nördlich von Goma erobert und mehrfach gedroht, auch die Millionenstadt einzunehmen.

Am Samstag ist eine Delegation aus Kinshasa in Goma eingetroffen. Mit an Bord waren Kongos Verteidigungsminister, der Justizminister sowie der Minister für Menschenrechte. Sie sollen nun Licht ins Dunkel bringen, was genau in jener Nacht geschah.

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