Menschenfeindlichkeit: Berlin grenzt aus

Rassismus und Antisemitismus steigen unter Ber­li­ne­r*in­nen laut einer Studie. Die gegenwärtigen Krisen stärken Ressentiments.

Mann auf Demo mit Israelflagge

Viel zu tun im Kampf gegen Antisemitismus und Israelhass Foto: Carsten Koall/dpa

BERLIN taz | Die gute Nachricht: Die große Mehrheit der Ber­li­ne­r*in­nen befürwortet die Demokratie. Die schlechte: Es gibt einen Zuwachs an rechtsautoritären Einstellungen, antisemitischen und antimuslimischen Ressentiments, an Antifeminismus und Transfeindlichkeit. Das ist das Ergebnis des „Berlin-Monitor 2023“.

Sie sehe die Befunde „mit großer Sorge“, sagte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Montag bei der Vorstellung der aktuellen Daten der Langzeitstudie zu Entwicklungen rechtsextremer Einstellungen. 2.048 Ber­li­ne­r*in­nen wurden befragt. Seit 2019 wird der „Berlin Monitor“ im Auftrag des Senats von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen der Universität Leipzig durchgeführt.

Die Klimakrise und der Ukrainekrieg hätten einen Einfluss auf die Demokratiebefürwortung, sagt der Soziologe Gert Pickel von der Uni Leipzig. Ber­li­ne­r*in­nen etwa, die eine Eskalation des Ukrainekrieges befürchten (75 Prozent) oder den menschengemachten Klimawandel ablehnen (25 Prozent), zeigten sich überaus aufgeschlossen gegenüber autoritären Systemen.

Zugleich nehme der Anteil derjenigen, die Verschwörungserzählungen anhängen, stetig zu, von 18 Prozent im Jahr 2019 auf 31 Prozent im Jahr 2022. Sie sei für die Demokratie ein „toxisches Element“ und eine Brückenideologie, die eine Verschiebung nach rechts mit sich bringe, sagt Pickel.

Zunahme autoritärer und rechtsextremer Einstellungen

Nicht zuletzt der Zuwachs rechtsautoritärer Einstellungen sei dramatisch. 8 Prozent der Ber­li­ne­r*in­nen befürworten dem „Berlin-Monitor 2023“ zufolge eine Diktatur, 19 Prozent äußern den Wunsch nach einem starken Führer. Das alles erinnert an dunkle Zeiten. Dazu passen die Befunde zur Verbreitung antisemitischer Ressentiments. Auch diese würden in der aktuellen Krisenzeit wieder aktiviert. „Das antisemitische Sündenbockprinzip ist eines, das noch immer existiert“, sagt Pickel. Schon vor dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober und dem nachfolgenden Krieg im Gazastreifen habe es eine Problemlage gegeben, „die antisemitische Ressentiments wieder gesellschaftsfähig gemacht hat“, so Pickel.

Neben antisemitischen Einstellungen seien dabei auch antimuslimische Ressentiments weit verbreitet und, so der Soziologe, „durchaus bedenkenswert“. 20 Prozent der Befragten weisen demnach ein geschlossen muslimfeindliches, rassistisches Denken auf, 48 Prozent lehnen den Islam überzeugt ab.

Auch antifeministische und sexistische Einstellungen grassieren. Rund 40 Prozent der Befragten empfinden Transgeschlechtlichkeit als „unnatürlich“, 25 Prozent befürworten, dass Homosexuelle rechtlich nicht geschützt werden sollten. Das sei eine „nicht zu unterschätzende Gruppengröße“, warnt Pickel.

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, bedürfe es Bildung und Brücken­bauer*innen. „Persönliche Kon­takte haben sich als etwas erwiesen, das eine Normalisierung der Verhältnisse mit sich bringt“, sagt Pickel. Schließlich müsse man größere Identifikationsgruppen schaffen, um Menschen aus ihren Subgruppen rauszubekommen. Sie wolle mehr tun für eine „Berliner Identifikation“, sagt Senatorin Cansel Kiziltepe – „für ein gemeinsames Miteinander“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.