Kulturaustausch durch Fußball: Gezielter Culture Clash

Der Charlottenburger CSV Afrisko versucht, die afrikanische und europäische Kultur zu verbinden – in einem Fußballverein. Ein Besuch auf dem Spielfeld.

Fußballer der Afrisko stehen auf dem Fußballfeld. Zu sehen sind drei Fußballspieler.

Yaw Donkor (Mitte) gründete 2008 mit dem 1. FC Afrisko den ersten von Afrikanern initiierten Fußballverein bei einem deutschen Foto: SportverbandFoto: Sebastian Wells

BERLIN taz | Wir wollen kein Profiverein sein, sondern mit Idealismus Kultur und Sport verbinden“, sagt Dauaride Empere. Der 50-jährige Berliner mit nigerianischen Wurzeln ist im Vorstand des CSV Afrisko, das steht für Afrika Sport und Kulturorganisation. So ungewöhnlich wie der Name ist auch der Werdegang des Charlottenburger Sport- und Kulturvereins, der eine deutsche und eine afrikanische Seite hat. Vor anderthalb Jahren vermengten sich beide, was sich auch in der Besetzung des Vorstands spiegelt, zu dem neben Empere auch André Münster und André Runge gehören.

Die Ursprünge der afrikanischen Vereinsseite würden bis in die 90er Jahre zurückreichen, erzählt Empere. „Damals gab es jährlich ein Baobab-Turnier, benannt nach einem afrikanischen Baum, bei dem verschiedene Mannschaften aus den afrikanischen Communitys gegeneinander antraten. Sie kamen einerseits zum Fußballspielen zusammen, aber auch, um sich auszutauschen und miteinander zu essen und zu feiern.“ Irgendwann habe sich daraus die Idee entwickelt, einen Verein zu gründen. So entstand 2008 der Afrisko e. V. mit seinen zwei Bereichen 1. FC Afrisko im Fußball und Afrisko im Kulturbereich. „Der kulturelle Aspekt war uns von Anfang an wichtig.“

Musik aus der Heimat der afrikanischstämmigen Berliner, die insbesondere Wurzeln in Ghana, Kamerun und Nigeria hatten, wurde bewusst für den Support eingesetzt. Neben dem Platz heizten etliche Amateurmusiker unter den 100 bis 150 Zuschauern dem Freizeitteam ein, mit Trommeln, Saiteninstrumenten und Gesängen. Zusätzlich wurden eine Reihe von Kulturprojekten umgesetzt, wie die Unternehmer- und Kulturabende, in denen nicht nur afrikanische Kultur gelebt wurde, sondern auch erfolgreiche Lokalunternehmer als Mentoren und Motivatoren für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen Afriskos fungierten.

Ein wichtiger Mitgründer des 1. FC Afrisko, dem ersten von Afrikanern initiierten Mitglied bei einem deutschen Sportverband, war Yaw Donkor, ein früherer Bundesligaprofi unter anderem bei Hertha. Er hatte Kontakte zu etlichen Profis, darunter Hans Sarpei, Chinedu Ede und Pablo Thiam, die dem Verein oft Trikots, Bälle und Geld spendeten.

Warum nicht aufraffen und mit vereinten Kräften neu wachsen

Anfangs sei es für die Spieler und Anhänger vor allem um die Gemeinschaft gegangen, sagt Dauaride Empere. Nach ersten sportlichen Erfolgen habe das Thema Geld aber leider an Bedeutung gewonnen. Spieler wurden von anderen Vereinen abgeworben. Zugleich seien die Vereinsstrukturen dem schnellen Wachstum nicht angepasst worden. Mit Afrisko ging es schleichend bergab und mit der Coronakrise ganz tief. Die Folge: Abmeldung vom Spielbetrieb trotz laufender Projekte im Kulturbereich.

„Die waren tot“, sagt André Münster. „Und wir waren sterbend“, ergänzt André Runge. Beide sind seit Kinderzeiten Mitglied im CSV Olympia, der sein Domizil am Rand einer Kleingartenanlage am Spandauer Damm hat. „Der Großteil unserer aktiven Mitglieder war über 50 Jahre alt. Wir hatten eine Männermannschaft und ein 7er-Team fürs Kleinfeld, aber keine Jugend mehr.“ Dem ältesten Verein Charlottenburgs, dessen Ursprung bis ins Jahr 1897 reichte, ging es perspektivisch nicht sehr viel besser als dem 1. FC Afrisko aus dem Wedding.

Zwei Vereine am Boden, der eine mehr, der andere weniger. Warum nicht aufraffen und mit vereinten Kräften neu wachsen, dieser Gedanke konnte wachsen, weil sich André Runge und Dauaride Empere kannten. Schnell wurde aus der Idee ein konkretes Vorhaben und es folgte ein gegenseitiges Abtasten, das gleich zum kleinen Culture Clash geriet: Nachdem sich drei schwarze Afrisko-Vertreter bei der Olympia-Mitgliederversammlung in einer Kneipe in akzentfreiem Deutsch vorgestellt hatten, gab es geteilte Reaktionen. Drei Olympia-Mitglieder um die 80 guckten perplex und drei traten umgehend aus dem Verein aus. Dagegen zeigten sich die Mitglieder eine Generation jünger von den Gästen und ihrem Mitmachdrang begeistert.

Beim Gegenbesuch herrschte erneut Klischeewarnstufe eins: „Die Versammlung fand im Schillerpark statt, Essen und Getränke wurden mitgebracht, aber es dauerte, bis überhaupt jemand kam“, erinnert sich André Runge. „Treffpunkt war 13 Uhr und obwohl ich eine halbe Stunde zu spät dran war, musste ich noch eine Stunde warten, bis der Erste von Afrisko kam. Wir haben uns erst mal Sprüche an den Kopf geworfen: Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit. Aber beim Picknick mit Hähnchen, Reis und Wein ging alles harmonisch.“

Dass hier unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen würden, war den Charlottenburgern klar

Dass hier unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen würden, war den Charlottenburgern klar. Aber es sorgte sie nicht, im Gegenteil. „In Berlin will jede Ethnie fußballvereinsmäßig gern ihr eigenes Ding machen. Es gibt Croatia, Srbija, Türkiyemspor. Wir fragten uns, warum diese Trennung, warum nicht zwei Kulturen zusammenbringen, in diesem Fall die afrikanische und europäische.“

Vielleicht war die Offenheit für einen gemeinsamen Weg auch deshalb da, weil es bereits Verbindungen des Vereins nach Senegal gab, initiiert durch einen Spieler, „Pakko“, der von dort stammte. Olympia-Boss André Münster nennt ihn einen „Menschenfänger“. Er habe ihn auch gleich in seiner Firma für Heizung und Sanitär eingestellt und dessen Kinder in der Heimat mit Schulgeld unterstützt. 2018 flogen sie sogar mit einer Truppe von Ü50-Spielern nach Senegal, um ein Freundschaftsspiel und ein Kinderturnier auszutragen sowie gespendetes Hertha-Sportzeug zu übergeben. Weil Pakko früher dort ein bekannter Spieler war, seien sie wie Staatsgäste empfangen worden. Fernsehen und Radio warteten am Flughafen. Es gab Empfänge von Politikern. Jetzt zu Ostern wollen sie wieder hinfliegen.

„Wir hatten auch mal einen Spieler, der aus Guinea stammte. Eigentlich waren wir immer schon internationaler Verein und haben damit nie schlechte Erfahrungen gemacht“, sagt André Münster. Im Herbst 2022 stand dann fest, die Fusion wird kommen. Nur hieß sie nicht so. Aus finanziellen Gründen erfolgte eine Namensänderung aufgrund eines Zusammenschlusses. Der Name Olympia verschwand aus dem Register und personell erfolgte ein Umbruch.

Man hat sich von vielen Spielern getrennt, dafür seien etliche Jugendspieler von Olympia zurückgekehrt, nur von Afrisko sei im Endeffekt leider gar keiner gekommen, bedauert André Münster. Den Grund sieht er darin, dass sich einige Spieler offenbar erhofft hatten, hier Geld zu verdienen. Der Verein müsse sich jedoch selbst finanzieren, man sei nicht in der Lage, Gehälter zu zahlen.

André Runge sagt, er würde eigentlich gern afrikanische Popmusik in sein Kindertraining einbringen

Empere blickt durchaus kritisch auf seine alten Mitstreiter. Ursprünglich sei er davon ausgegangen, dass der CSV eher mit der Vereinigung hadern würde. Stattdessen habe sich gezeigt, dass sich ein Großteil der afrikanischen Leute wenig auf den Kulturunterschied einlasse. „Dabei war es doch der Initialfunke, bewusst keinen Inselverein für Afrikaner zu wollen, sondern integrativ an die Sache zu gehen. Ich bin etwas enttäuscht, dass die Schwarzen Brüder und Schwestern nicht drangeblieben sind.“

Dafür würden sich jetzt „witzigerweise“ alte Mitglieder, die lange inaktiv waren, in der Vereinsarbeit engagieren, so André Münster. Außerdem zöge der Verein, bedingt durch den Namen Afrisko, junge afrikanischstämmige Spieler aus der ganzen Stadt an. Auch in den Kulturprojekten haben sich neue Mitstreiter angekündigt. „Jetzt macht die Mannschaft wieder Spaß, man guckt gerne zu. Die jungen Leute spielen zwar nicht beständig, aber man sieht auf dem Platz, dass sie sich mit dem Verein identifizieren.“ Er bewundert vor allem die Lockerheit der Afrikaner, „weil man selber ja anders ist“.

Und was ist mit der Kultur, der Vereinskultur und vielleicht auch der Fankultur? Vergangenen August machten sich die Fußballer des Charlottenburger Kreisligisten nach dem Training auf den Weg nach Prenzlauer Berg. Nicht, um dort gegen eine andere Mannschaft anzutreten, sondern um ihren Verein beim Popkultur-Festival zu vertreten. Der war eingeladen worden, sich vorzustellen, weil er selbst nicht nur das Wort „Kultur“ in seinem Namen trägt, sondern auch die Popkultur der jüngeren Zeit der afrikanischen Community Berlins mitgeprägt hat.

Der integrative Fortschritt nach der Fusion wird seine Zeit brauchen

Vorstandskollege André Runge sagt, er würde eigentlich gern afrikanische Popmusik in sein Kindertraining einbringen. Auch eine Vereinshymne wäre was. „Textlich auf Deutsch, aber afrikanische Rhythmen fände ich großartig, weil es zeigt, hier wächst was zusammen. Afrikanischer Rap in deutscher Sprache wäre cool.“ Dauaride Empere muss lachen. „Wir hatten ja früher Musikleute, die afrikanische Stimmungslieder spielten. Die könnten ja vielleicht die deutsche Schlagerseite mit einbauen.“

„Ach Gott“, entfährt es André Runge. Es sei schon schlimm genug, dass die jungen Deutschen heutzutage so gern Schlager hörten. In einem Punkt sind sich die drei vom Vorstand jedoch absolut einig: Der integrative Fortschritt nach der Fusion wird seine Zeit brauchen. Die war nur der formale Schritt. Aber er ist für alle erkennbar am neuen Wappen und den neuen Vereinsfarben, in denen alle Mannschaften jetzt spielen. Aus Olympias Grün-Gelb-Blau wurden die „afrikanischen Farben“ Gelb-Rot-Grün, wie André Münster sagt. „Das hat bereits die Runde gemacht auf den anderen Plätzen. Da können wir schon stolz drauf sein.“

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