Kolumne Liebeserklärung: Die Männerfreundschaft

Ein ungutes Gefühl überkommt uns, wenn Trump und Macron sich herzen. Dabei sollte uns ein wenig Restwärme beruhigen.

Immerhin haben Macron und Trump sich lieb Foto: Tom

Der schlimmste Feind ist der Parteifreund, die verlogenste Freundschaft die Männerfreundschaft. Mit zünftigen Wanderungen und austauschbaren Ehefrauen öffentlich zelebrierte Beispiele bietet die Geschichte zuhauf: von Kohl zu Strauß, von Lafontaine zu Schröder, von Putin zu Berlusconi und eben aktuell von Trump zu Macron. „Männerfreundschaft“, schrieb einst der Spiegel kategorisch, „heißt in der Politik etwas, das nicht wirklich Freundschaft sein kann.“

Zu verteidigen ist die Männerfreundschaft wohl nur mit einem radikalen Ansatz: Gibt es denn überhaupt so etwas wie Freundschaft? Dass etwa Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen haben, ist eine Standardphrase der Politkommentierung. Meistens dient auch sie wiederum nur dazu, irgendeine Sauerei für ganz normal zu erklären: abhören, umbringen, ökonomisch erpressen? So ist das nun mal bei den Profis, Baby! Gewöhn dich dran! Und auch der einstige sozialistische „Freundschaft!“-Gruß lässt keine Hoffnungen auf echte Zuneigung, fand sich doch mancher eben noch so willkommen Geheißener ein paar Stunden später im Arbeitslager wieder.

Bei so viel Zynismus scheint nur das „Deutsche Wörterbuch“ der Gebrüder Grimm ein Romantik-Reservat zu bieten. Im Eintrag „Männerfreundschaft“ heißt es schlicht: „freundschaft wie sie unter männern ist oder sein soll.“ Was natürlich sofort die Frage aufwirft, wie Freundschaft zwischen Männern denn nicht sein soll: nicht zu herzlich, nicht zu schwul? Nicht zu falsch, nicht zu oberflächlich? Und wie „ist“ beziehungsweise war denn die Freundschaft zwischen Männern? Offensichtlich ja keiner näheren Erklärung bedürftig.

Wir Heutigen sind komplizierter geworden, nüchterner. Die Männerfreundschaft – sehen wir jetzt klarer – ist archaisch, gilt als unhinterfragbar, das stört uns. Wir wollen lieber keine Freundschaft als eine Männerfreundschaft. Wir wollen lieber Merkel statt Macron oder gar Trump.

Jedenfalls noch. Gefährlicher als eine Renaissance der schwitzigen Männerfreundschaft ist nämlich vielleicht die totale Selbstverliebtheit von bizarr-narzisstischen Gestalten wie Orbán, Erdoğan, Kaczyński, die sich selbst zur Inkarnation des Volkswillens erklären und die ausschließlich mit sich selbst befreundet sind.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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