Flüchtlinge in Spanien: So schürt die Rechte Stimmung

Immer mehr Menschen auf der Flucht landen in Spanien. Die rechten Parteien PP und VOX nutzen das offenbar, um auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten.

Viele Menschen sitzen in einem keinem Boot in La Restinga am Samstag, 21. Oktober

Menschen auf der Flucht landen auf den Kanarischen Inseln Foto: Eruopa Press via ap

MADRID taz | Die Kanarischen Inseln verzeichnen einen Flüchtlingsrekord. Alleine im Oktober kamen auf dem zu Spanien gehörenden Archipel vor Afrikas Atlantikküste Flüchtlingsboote mit rund 13.000 Migranten an. Das entspricht knapp der Hälfte der 27.800 Menschen, die seit Jahresbeginn den gefährlichen Seeweg auf den Außenposten der Europäischen Union angetreten haben. 2023 ist also dabei, zum Jahr mit den meisten Flüchtlingen zu werden. Bisher ist das 2006. Damals kamen insgesamt 31.000 Migranten auf den Kanaren an.

Die Neuankünfte im Oktober erschöpfen die Kapazität der Inseln. Die Regierung in Madrid unter dem Sozialisten Pedro Sánchez fängt an, 8.700 Migranten auf das spanische Festland zu bringen und sie dort auf mehrere Provinzen zu verteilen. Als Notunterkünfte halten leer stehende Kasernen, alte Krankenhäuser, Hotels und religiöse Unterkünfte her. Außerdem werden Einrichtungen genutzt, die Flüchtlingen aus der Ukraine vorbehalten waren und jetzt wieder leer stehen.

Während einige Städte – die vorwiegend von den gleichen Linksparteien regiert werden, die auch die spanische Regierung stellen – sich solidarisch zeigen, schlagen rechte Gemeindeverwaltungen und autonome Gemeinschaften – vergleichbar mit den Bundesländern – Alarm. Dort regiert die konservative Partido Popular (PP) größtenteils zusammen mit der rechtsextremen VOX.

Die Migranten würden aufgenommen und es sei nun üblich, sie, „ohne mit den autonomen Gemeinschaften zu sprechen, in Flugzeuge zu setzen und an Bushaltestellen auszusetzen“, erklärt PP-Chef und Oppositionsführer Alberto Nuñez Feijóo. „Die Regierung Sánchez hat beschlossen, mit der organisierten Kriminalität der Schleppermafia zusammenzuarbeiten, indem sie zum letzten Glied der Kette wird“, geht der PP-Abgeordnete Rafael Hernando auf X noch einen Schritt weiter.

Rassistische Entgleisungen

PP und VOX nutzen das Thema Flüchtlinge, um Unmut gegen die alte und wohl auch neue Linkskoalition zu schüren. Der Sozialist Sánchez muss nach den Wahlen im vergangenen Juli im Laufe des Novembers erneut die Parlamentsmehrheit hinter sich vereinen, will er weiter regieren. Ansonsten kommt es zu Neuwahlen. Und genau darauf scheinen die beiden Rechtsparteien hinzuarbeiten.

„Wir wurden nicht informiert“, wiederholt die Chefin der Regierung der Hauptstadtregion Madrid, Isabel Díaz Ayuso, immer wieder, obwohl dies laut Innenministerium nicht wahr ist. Sie wirft Sánchez vor, die Migranten „wie Pakete auf die Halbinsel zu bringen und sie überall zu verteilen“. In und um Madrid sollen mindestens 425 Migranten untergebracht werden.

„Wenn sie sie nicht wie Tiere markieren, ihnen etwa ein Armband oder was Vergleichbares verpassen, weiß ich nicht, was für einer Kontrolle diese Kreaturen, die anfangen herumzustreifen, unterliegen werden“, erklärt in einem Radiointerview der Kultur- und Traditionsbürgermeister der PP der Kleinstadt Torrox im südspanischen Andalusien. In diese Region sollen rund 2.000 Flüchtlinge kommen. Auf den Kanaren gebe es bereits Typhus, fügt er hinzu und warnt: „Wir wissen nicht, was sie treiben werden, ob sie dir das Auto stehlen.“

In Castilla y León warnt der VOX-Politiker und Vize-Regierungschef Juan García-Gallardo: „Während die Regierung behauptet, die Interessen der Frauen zu vertreten, bringen sie 183 junge Männer im wehrpflichtigen Alter hierher.“

Gegen den rassistischen Chor

Der Vizepräsident der kanarischen Regierung, Manuel Domínguez, ist der einzige Politiker der spanischen Rechten, der offen aus dem rassistischen Chor ausschert. „Das kann einfach nicht sein. Wenn wir ein bisschen, nur ein bisschen Einfühlungsvermögen haben, wenn jemand zu einem der Häfen käme, um zu sehen, wie diese Leute von Bord gehen, würde sich die Meinung wohl ändern. Wir sollten mit diesen Vorwürfen aufhören“, mahnt Domínguez.

„Sie versuchen diese Angelegenheit politisch, opportunistisch und ausländerfeindlich auszuschlachten“, erklärt Spaniens Sozial- und Einwanderungsminister José Luis Escrivá. Aus nicht von der PP regierten Regionen, wie etwa Katalonien, das über 1.600 Flüchtlinge aufnehmen soll, oder dem Baskenland, wo am vergangenen Freitag die ersten 36 Flüchtlinge ankamen, gibt es kaum kritische Stimmen.

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