Debatte: Damit Ökostrom umweltfreundlich bleibt

Bei der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes sind Details entscheidend: Geht es um Maximierung der Ökostromgewinnung oder um Umweltschutz als ganzheitliche Aufgabe?

Über den weiteren Ausbau des Ökostroms in Deutschland wird in den kommenden Monaten entschieden: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im Jahr 2000 erlassen und 2004 erstmalig überarbeitet wurde, steht vor seiner zweiten turnusgemäßen Novelle. Entsprechend hat die Debatte über nötige Änderungen begonnen. Und die Details sind sehr entscheidend - etwa für den weiteren Boom der Solarbranche.

Der Grundgedanke des EEG ist, dass die verschiedenen Arten der Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien bei der Einspeisung so vergütet werden, dass die jeweilige Technik wirtschaftlich ist. Da eine Überförderung vermieden werden soll, muss das Gesetz etwa alle vier Jahre an den technischen Fortschritt angepasst werden.

Und das sind nun die konkreten Baustellen im Gesetz: Zum einen muss es die Bezahlung von Solarstrom anders regeln. Bislang werden die Sätze für neue Solarstromanlagen jährlich um fünf Prozent abgesenkt. Doch in der Praxis wird Solartechnik längst billiger erzeugt. Weil die Firmen die Effizienzgewinne aber nicht voll an die Kunden weitergeben, kostet die Kilowattstunde Photovoltaik heute mehr, als sie kosten müsste. Hier besteht Handlungsbedarf: Wird die Vergütung in Zukunft um sieben oder acht Prozent jährlich gesenkt, wird sich der Preis des Stroms aus Photovoltaik jenem "aus der Steckdose" schneller angleichen. Diese Netzparität, auch "Grid Parity" genannt, ist das große Ziel aller Solarfreunde.

Wird das EEG klug novelliert, wird es zudem den Fokus stärker auf Dachsolaranlagen richten, weg von den riesigen Freilandparks. Denn die sind mitunter aberwitzig: Östlich von Leipzig soll eine 40-Megawatt-Anlage eine Fläche von 110 Hektar, also 200 Fußballfelder bedecken.

Zwar fordert der Gesetzgeber im EEG - zu recht - für derartige Projekte einen Bebauungsplan. Jede Gemeinde kann sich solche Großanlagen also vom Leib halten. Doch darüber hinaus sollte man derartigen image- und landschaftsschädlichen Auswüchsen auch durch geringere Vergütungssätze die Attraktivität nehmen. Im Gegenzug wäre es sinnvoll, kluge gebäudeintegrierte Konstruktionen - etwa an Fassaden - noch attraktiver zu machen. Denn die Photovoltaik gehört auf Dächer und an Gebäude und sicher nicht in die freie Landschaft.

Änderungen im EEG sind auch bei der Windkraft nötig. Wenn die Offshore-Windkraft tatsächlich eine Chance haben soll, muss man ihr mehr Geld geben; die derzeit festgeschriebenen Vergütungssätze von rund neun Cent je Kilowattstunde werden wenig bewirken. Nicht zufällig wird in anderen Ländern deutlich mehr bezahlt, in Großbritannien zum Beispiel sind es rund 13 Cent. Angesichts der Potenziale der Offshore-Windkraft für den Klimaschutz - sie ist mittelfristig die aussichtsreichste Form der erneuerbaren Energien -, müssen daher im EEG noch zwei oder besser drei Cent nachgelegt werden.

Auch die Windkraft an Land braucht neue Impulse: Kleinwindkraftanlagen für den heimischen Garten sind zunehmend ausgereift - doch sie fallen im EEG bislang unter den Tisch. Zwar sind die Erträge der einzelnen Anlagen jeweils gering, doch als baugenehmigungsfreie Rotoren im Leistungsbereich von mehreren hundert Watt können sie den Haushaltsstrombedarf zu einem guten Teil decken. In der Summe kommen auch damit beachtliche Strommengen zusammen. Da bei den kleinen Anlagen jedoch ein Einspeisezähler schon zu viel des Aufwandes wäre, sollte das EEG eine einfache und pragmatische Lösung wählen: Jeder Stromkunde muss das Recht bekommen, sich für Kleinwindkraftanlagen einen rückwärts laufenden Stromzähler zu installieren. Mancher Stromversorger lässt einen solchen zwar heute schon zu, weil er sich damit Aufwand bei der Abrechnung erspart. Doch diese Abhängigkeit vom Wohlwollen des Netzbetreibers muss der Gesetzgeber beenden.

Ein weiterer Aspekt im neuen EEG muss die Einführung tageszeitabhängiger Vergütungen für Strom aus Biomasse sein. Bislang wird Strom aus Holz, Biogas oder Pflanzenöl zu allen Zeiten in gleicher Höhe vergütet, obwohl Tagstrom wegen der höheren Nachfrage viel wertvoller ist als Nachtstrom. Hier sind Nachbesserungen notwendig: Bioenergie muss als Ausgleichsenergie für Angebots- und Nachfrageschwankungen betrachtet werden - ein Schritt der erneuerbaren Energien in Richtung Markt.

Wird für Biomassestrom tagsüber zwei Cent mehr bezahlt und in den Nachtstunden entsprechend weniger, erhalten die Anlagenbetreiber einen Anreiz, die speicherfähige Biomasse bevorzugt tagsüber zu verstromen. Aus energiewirtschaftlicher Sicht ist das dringend nötig, und es wird nur der Anfang sein: Langfristig wird man Strom aus speicherbaren Quellen nicht nur abhängig von der Tageszeit, sondern auch von der tatsächlichen Netzlast vergüten müssen. Jeder Betreiber kann dann betriebswirtschaftlich kalkulieren, ob sich zum Beispiel ein Biogasspeicher für seine Anlage lohnt.

Auch für die Wasserkraft wäre eine solche Regelung sinnvoll, wenngleich nur ein kleiner Teil der Anlagen sie nutzen könnte. Immerhin verfügen aber einige Wasserkraftwerke in den deutschen Mittelgebirgen über ein Staubecken, das als Tagesspeicher nutzbar wäre. Statt rund um die Uhr Strom zu erzeugen, würde dann mancher Betreiber seine Wasserkraftanlage vor allem tagsüber laufen lassen - ein willkommenes Ausgleichspotenzial, das man sich erschließen sollte.

Die vielleicht heikelste Baustelle des EEG liegt unterdessen bei der künftigen Auswahl der Bioenergien. Insbesondere Palmöl ist in Verruf geraten. Weil es aus Tropenländern kommt und die Plantagen mitunter auf Kosten des Regenwaldes ausgebaut werden, bezeichnen Kritiker das Palmöl längst als "Kahlschlag-Diesel". Im neuen EEG wird man die Vergütungen daher an nachprüfbare Umweltstandards knüpfen müssen. Sollte das nicht wirkungsvoll möglich sein, darf man nicht davor zurückschrecken, bestimmte Biorohstoffe ganz aus dem EEG hinauszunehmen. Palmöl wäre der erste Kandidat.

Und auch für Bioenergien aus heimischer Produktion sollte man Ökostandards definieren. Denn es ist unglaubwürdig, wenn man mit dem Argument des Umweltschutzes Energiepflanzen fördert, die unter Einsatz von Fungiziden, Herbiziden und Insektiziden angebaut wurden. Auch die Nutzung genmanipulierter Pflanzen sollte das EEG künftig ausschließen.

So entscheidet die nächste Novelle auch darüber, ob sich das EEG einseitig auf die maximale Gewinnung von Ökostrom konzentrieren wird, während es zugleich anderweitige ökologische Schäden verursacht. Oder ob es sich als ein Gesetz etabliert, das Umweltschutz als ganzheitliche Aufgabe betrachtet. Doch während bei der Ausdifferenzierung der Vergütungssätze die Veränderungen schlicht aus energiewirtschaftlicher Vernunft heraus ziemlich wahrscheinlich sind, drohen die ökologischen Faktoren unter den Tisch zu fallen.

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