Bezahlkarte für Geflüchtete: Ausdruck der Menschen­feindlichkeit

Berlin will die Bezahlkarte für Asylsuchende einführen. Sich dem rechten Mob zu beugen, ist nie eine gute Idee.

Bevormundung im Ta­schen­for­mat: dDie Bezahlkarte für Asylsuchende Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Dass es beim Thema Migration meist herzlich wenig um rationale Argumente geht, lässt sich an der Bezahlkarte für Asylsuchende, die der schwarz-rote Berliner Senat nun einführen will, besonders gut ablesen. Denn es spricht dermaßen viel dagegen, dass es nur einen Grund geben kann, sie trotzdem einzuführen: Es geht um die Stigmatisierung von Schutzsuchenden.

Menschen, die vor Krieg, Terror, Naturkatastrophen oder Hunger fliehen, werden von Opfern zu Sündenböcken gemacht, um die wahren Ursachen sozialer Probleme zu verschleiern.

Bereits Anfang der 90er Jahre beugte sich die Politik dem rechten deutschen Mob und höhlte mit dem sogenannten Asylkompromiss die Rechte Asylsuchender weitgehend aus. Auch damals wurde Bargeld durch Sachleistungen ersetzt, wie heute zum Zwecke der Abschreckung.

Doch nach nur wenigen Jahren kehrte man wieder zu Bargeldzahlungen zurück. Denn nicht nur waren die Kosten für Sachleistungen meist sehr viel höher, auch musste man einsehen, dass auch geflüchtete Menschen Rechte haben, die nicht einfach so nach Gutdünken übergangen werden können.

Keine Lehren gezogen

Das scheint heute alles wieder vergessen – oder vielmehr verdrängt. Die Menschenwürde spielt schon lange nur noch eine Nebenrolle, wissenschaftliche Erkenntnisse zählen nicht mehr. Denn Belege dafür, dass die (ohnehin nicht sehr hohen) Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes ein Anreiz zur Flucht sind, gibt es nicht. Im Gegenteil, wissenschaftlich gesehen ist das absoluter Unfug.

Was auch immer sich die Po­li­ti­ke­r*in­nen von CDU und SPD vorstellen: Die Menschen werden wohl kaum im Bombenhagel vor den Trümmern ihrer Häuser stehen und sich denken: „Och nö, wenn ich in Deutschland kein Bargeld bekomme, dann bleibe ich lieber hier.“ Wie zynisch muss man sein, um das zu glauben.

Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe glaubt das nicht. Daher war die SPD-Politikerin lange Zeit auch erklärte Gegnerin einer Bezahlkarte. Nun stimmt sie doch zu, schließlich gehe es dieses Mal nicht um Abschreckung, sondern um die Entlastung der Verwaltung, sagt sie. Ein wenig überzeugendes Argument, da die Bezahlkarte nicht nur mit erheblichen Mehrkosten, sondern auch bürokratischem Mehraufwand einhergeht.

Und wie gut die Hauptstadt auf technische Neuerungen vorbereitet ist, sehen wir bei der e-Akte, auf die wir immer noch warten. Zumal es einfacher und günstiger wäre, allen Asylsuchenden ein kostenloses Basiskonto zur Verfügung zu stellen – ganz abgesehen davon, dass dadurch niemand bevormundet würde.

Stärkung der AfD

Doch im Überbietungswettbewerb mit der AfD zählen auch die besten Argumente nicht. Da hilft es nicht zu fragen, ob es nicht einer freiheitlichen Demokratie unwürdig ist, Menschen vorzuschreiben, wo und was sie einkaufen dürfen. Oder ob es die AfD wirklich schwächt, wenn man ihre Forderungen übernimmt. Und ob nicht andere für die sozialen Probleme verantwortlich sind, etwa diejenigen, die fette Gewinne einstreichen, während sich selbst die Mittelschicht die Miete nicht mehr leisten kann.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die Menschen in Berlin sich ähnlich solidarisch wie in den 90er Jahren zeigen werden, als sie mit den Bezahlkarten der Asylsuchenden einkaufen gingen und ihnen dann das Geld dafür bar aushändigten. Und dass die Idee noch schneller stirbt als seinerzeit – und dieses Mal endgültig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.