Berliner Szenen: Liebloser Bindestrich

Die Autorin denkt, sie sollte die Straße kennen, die so heißt wie sie. Sie findet Herbstsonne, eine Flagge und doppelten Quatsch.

Lange keinen Dackel mehr gesehen. Bild: dpa

Zwischen dem einen Termin in Steglitz und dem anderen in Dahlem habe ich zweieinhalb Stunden Zeit. Es lohnt sich nicht, nach Hause zu fahren oder irgendwo anders hin. Ich setze mich in ein Café und lese ziemlich gründlich die Zeitung von heute und dann noch die von gestern und vorgestern. Ich trinke einen Cappuccino, der fast gar keinen Schaum hat. Nachdem die Bedienung mich zweimal gefragt hat, ob sie mir noch was bringen kann, gehe ich.

Ich laufe durch Blumenstraßen: Lilienstraße, Tulpenstraße, Veilchenstraße. Neben der Martin-Luther-Kirche steht ein Schild: „Betreten auf eigene Gefahr“. Sollte vor jeder Kirche stehen. Ich laufe bis zur Margaretenstraße. An der bin ich schon oft vorbeigegangen, aber ich hab sie mir noch nie so genau angeschaut. Hab das Gefühl, ich sollte sie kennen, wenn sie quasi so heißt wie ich.

Sie sieht ganz gut aus, so in der Herbstsonne. Die Häuser auf der linken Seite sind ziemlich hässlich, die auf der rechten Seite sind okay. An manchen Häusern steht der Straßenname in Großbuchstaben dran. Manchmal mit Bindestrich, manchmal ohne. Das finde ich ein bisschen lieblos. Doppelter Quatsch, weil der Bindestrich ja vermutlich extra kostet und die Straße sich ohne Bindestrich schreibt.

An einem der Balkone hängt eine Deutschlandflagge. Deutschlandflaggen machen Orte selten gemütlicher. Ab dem Haus mit der Flagge sind die Häuser auch auf der rechten Seite hässlich. Klopsige Klotzhäuser, in denen die Leute bestimmt viel Ärger mit Schimmel haben.

Eine schöne, alte Villa mit Säulenbalkons hat sich zwischen die Klötze geschummelt. Oder vermutlich haben sich eher die Klötze an die Villa rangeschummelt. Eine Frau mit Dackel kommt mir entgegen. Lange keinen Dackel mehr gesehen, irgendwie. Am Ende der Straße fällt mir ein, dass ich den Cappuccino nicht bezahlt habe.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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