Austreten auf der Autobahn: Unerfreuliche Überholspur

Auf der Autobahn brachte der Tee meiner Frau meine Blase zum Durchdrehen. Ich nutzte den Stau zur Entleerung. Aber das war ein Fehler.

Fahrzeuge stehen im Stau auf der Autobahn 4.

Schnell mal raus zum Wasserlassen? Kann in die Hose gehen Foto: dpa | Bodo Schackow

Meine Frau Eminanim und ich fahren auf der A1 in Richtung Hamburg-Harburg zu meiner heißgeliebten Schwiegermutter, als wir uns plötzlich in einem elendig langen Stau befinden. „Osman, siehst du, was für eine große Visionärin ich bin? Ich habe für alle Fälle eine ganze Thermoskanne Tee mitgenommen. Tee ist gut für die Nerven“, sagt meine Frau stolz und strahlt.

Was meinen Nerven guttut, muss aber nicht unbedingt auch meiner Blase guttun. Eher umgekehrt. Die dreht nämlich nach drei Tassen Tee völlig durch und droht mir offen mit einem Selbstmordanschlag, falls ich ihrer Forderung, sie sofort zu leeren, nicht augenblicklich nachkommen sollte. „Eminanim, ich steige aus. Ich muss sehr, sehr dringend pinkeln! Sonst passiert ein großes Unglück!“

„Osman, spinnst du?“, entgegnet meine Frau. „Doch nicht mitten auf der Autobahn!“ „Ich muss aber sofort“, stöhne ich und steige aus. Nach einem beherzten Sprung stehe ich schon hinter der Mittelleitplanke, mitten in meterhohen Brennnesseln, die alles an mir sofort wegätzen, was gerade „im Freien“ steht.

Während ich mit großer Erleichterung der Forderung meiner Terror-Blase nachkomme, sehe ich höchst verwundert, dass sich der Stau langsam aber sicher in Bewegung setzt. Mein Ford-Transit leider auch! „Eminanim, warte doch. Ich bin gleich fertig.“

„Osman, ich darf nicht mitten auf der Autobahn auf der Überholspur stehen bleiben, wenn alle anderen fahren. Das wäre zu gefährlich“, brüllt sie zu mir rüber. „Denkst du, zu Fuß auf der Autobahn rumzulatschen, ist weniger gefährlich? Halt sofort an!“, schreie ich.

Wie viel Liter passen denn überhaupt in so eine handelsübliche Blase rein?

„Ich denk nicht daran! Das ist verboten!“

„Dann fahr doch wenigstens rechts ran!“

„Man darf nicht ohne wichtigen Grund auf dem Standstreifen anhalten.“

„Ohne Grund? Was bin ich denn hier?“

„Du bist ein Gesetzesbrecher! Ich warte auf dem nächsten Parkplatz auf dich.“

Bei Allah, werde ich denn heute nie fertig? Wie viel Liter passen denn überhaupt in so eine handelsübliche Blase rein? Mein Ford-Transit ist nicht mehr zu sehen. Ich hüpfe immer noch pinkelnd zwischen den verfluchten Brennnesseln rum. Inzwischen fahren die Autos in Richtung Hamburg genauso schnell wie auf der Gegenfahrbahn.

Der Versuch, von der linken Spur, quer über die ganze Autobahn, zum rechten Standstreifen zu kommen, wird die härteste Prüfung meines Lebens. Immer wieder verdanke ich es nur wenigen Millimetern, dass ich nicht wie ein lästiges Insekt auf einer fremden Windschutzscheibe klebe. Insbesondere die LKWs aus Rumänien machen regelrecht Jagd auf mich.

Ich laufe um mein Leben. Und nach einer Stunde erreiche ich keuchend und stöhnend auf allen Vieren den Parkplatz. „Osman, da bist du ja endlich. Du bist inzwischen richtig berühmt geworden. Sie haben dich mehrmals im Radio erwähnt“, lacht Eminanim. „Echt? Haben die etwa meinen Namen rausgekriegt?“

„Das nicht. Aber der Moderator warnt die Leute, weil ein geistig verwirrter, lebensmüder Exhibitionist die Autobahn unsicher macht.“

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