Auftragssongs für Mexikos Drogenbosse: Peso Pluma schreibt fürs Kartell

Musiker Peso Pluma besingt Mexikos Narco-Bosse – und alle lieben ihn dafür. Fast alle. Denn der Drogenkrieg zieht auch an Pluma nicht vorbei.

Peso Bluma mit schwarzen Handschuhen und Sonnenbrille hält ein Mikrofon

Peso Pluma Foto: Charles Sykes/Invision/ap

Nun wird Peso Pluma doch singen. Vergangene Woche beschloss die Leitung des chilenischen „Festivals de Viña del Mar“, dass der mexikanische Musiker zum Abschluss seiner Veranstaltung am 1. März auftreten darf. Im Gegensatz zu einigen scharfen Kri­ti­ke­r*in­nen sahen die Ausrichter des „weltweit größten lateinamerikanischen Festivals“ kein Problem darin, dass der Sänger in seinen Texten das kriminelle Sinaloa-Kartell promotet, etwa, indem er in seinen Songs Joaquín „El Chapo“ Guzmán, den in einem US-Gefängnis einsitzenden Boss der Mafiaorganisation, huldigt.

Peso Plumas „Corridos tumbados“ sind eine durch Rap-Elemente aufgepeppte Form tradi­tio­neller mexikanischer Corridos, die mit Blasinstrumenten und Gitarren gespielt werden. Die Texte des 24-Jährigen orientieren sich an Narcocorridos, also an Liedern, die affirmativ den Lifestyle der Kriminellen beschreiben. Nicht selten werden Musiker dafür von einer Mafiabande bezahlt, und auch Peso Pluma, das „Federgewicht“, lässt keinen Zweifel an seinen Financiers.

„Die Corridos sind Auftragsarbeiten“, erklärt der Sänger, der mit richtigem Namen Hassan Emilio Kabande Laija heißt. Er sieht das locker. Das sei, wie wenn jemand eine Pizza mit den jeweiligen Zutaten bestelle. „Man schreibt etwas und übergibt dann die Arbeit.“

In seinem Fall sind seine Auftraggeber eben Killer, die ihre Feinde gelegentlich an Brücken aufhängen oder in Säure auflösen, Frauen versklaven und zur Prostitution zwingen sowie tonnenweise Opiate verkaufen, an denen unzählige Menschen elend zugrunde gehen. Dennoch wäre es ungewöhnlich, den Künstler aus dem Festival auszuschließen bzw. ihn zu zensieren, wie manche Kom­men­ta­to­r*in­nen meinten.

Der Song mit den 956 Millionen Klicks

Narcorridos zählen zur mexikanischen Kultur wie Tacos oder Totenfeiern. Warum also sollte man die Musiker in Chile nicht singen lassen? Zumal er derzeit zu den erfolgreichsten Mu­si­ke­r*in­nen auf dem amerikanischen Kontinent zählt. 411 Millionen Mal wurde sein Video zum aktuellen Hit „Ella baila sola“ auf Youtube angeschaut, bei Spotify hat der Song 956 Millionen Klicks.

„Der Künstler ist eine der Entdeckungen von 2023 und wurde mit den anerkanntesten internationalen Preisen der Unterhaltungsindustrie ausgezeichnet“, informierten die Ausrichter des mit öffentlichen Geldern geförderten Festivals in Viña del Mar.

Der Wirbel um Peso Plumas Auftritt begann mit einem Kommentar des Politikers und Soziologen Alberto Mayol. Nein, es gehe nicht um Zensur, betonte er. Aber man müsse sich fragen, warum die Regierung Millionengelder für den meist erfolglosen Kampf gegen den Drogenhandel ausgebe und dann mit staatlichen Mitteln die Narcokultur fördere.

In der Tat sollten sich öffentliche Stellen genau überlegen, wen sie in Zeiten promoten, in denen die Sicherheitslage im eigenen Land immer schwieriger wird und sich das Sinaloa-Kartell gerade weiter nördlich, in Ecuador, im Krieg mit der Regierung befindet. Genauso beunruhigend ist jedoch, dass sich Millionen Fans die Videos des Federgewichts anschauen und Zehntausende Jugendliche durchdrehen, wenn Peso Pluma in Los Angeles, Monterrey oder Mexiko-Stadt auf der Bühne steht.

Maskierte Männern und gestylte Frauen

Was begeistert die jungen Leute an den Oden an die Mafia? Warum schauen sie das Video des Songs „Der Kriegerische“, in dem er sich zwischen bewaffneten maskierten Männern und entsprechend gestylten Frauen räkelt, mit Sturmgewehren spielt und seine Gegner „auf den Friedhof schicken wird“?

Im wirklichen Leben ist der Mann mit der fürchterlichen Vokuhila-Frisur freilich weit weniger cool. Im Oktober sollte er in Tijuana auftreten, doch das fanden die Rivalen der Sinaloa-Killer, das Jalisco-Kartell (CJNG), nicht wirklich gut. Er solle das besser bleiben lassen, hieß es auf Transparenten, die in der mexikanischen Grenzstadt an Brücken hingen, gezeichnet mit „CJNG“. Und: „Es wäre dein letzter Auftritt, wegen deiner Respektlosigkeit und deinem losen Mundwerk.“ Peso Pluma hat dann doch lieber auf sein Konzert verzichtet. Zensur à la mexicana.

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Wolf-Dieter Vogel, Jahrgang 1959, ist Print- und Radiojournalist sowie Autor. Er lebt in Oaxaca, Mexiko. Seine Schwerpunkte: Menschenrechte, Migration und Flucht, Organisierte Kriminalität, Rüstungspolitik, soziale Bewegungen. Für die taz ist er als Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika zuständig. Er arbeitet im mexikanischen Journalist*innen-Netzwerk Periodistas de a Pie und Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter.

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