Sichtbarkeit am lesbischen Tag: Auf allen Kanälen

Am 26. April findet wieder die „Fahrraddemo zur lesbischen* Sichtbarkeit“ statt. Aber politische Haltung kann auch hörbar werden.

Still aus "Born in flames"

Piratensender Phoenix Ragazza Radio in action im Film „Born in flames“

Mit Trillerpfeifen zwischen den Zähnen kreuzen die Feminist_innen in Lizzie Bordens „Born in Flames“ auf Fahrrädern durch New York. Werden sie Zeug_innen sexualisierter Angriffe, schlagen sie mit den Pfeifen Alarm.

Bordens Klassiker des New Queer Cinema von 1983 bediente sich Guerilla-Techniken. Borden drehte viele Szenen einfach auf der Straße und verwendete Archivaufnahmen von tatsächlichen Demonstrationen und Fällen von Polizeigewalt.

Wer den Film zum ersten Mal schaut, muss wissen, dass er gewalttätige Szenen zeigt. Und direkte Aktion dagegen. Der Film zeigt eine dystopische Zukunft, in der auch der neuen sozialdemokratischen Regierung kaum daran liegt, genderbasierte Gewalt, Rassismus oder Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Satirische Talkrunden, in denen bürgerliche Frauen unter sich sprechen, illustrieren zu Beginn des Films die Unterschiede zwischen einem weißen Feminismus, der den Status quo bedient, und einem antirassistischen, antikapitalistischen Feminismus, für den sich Women of Color, Schwarze, weiße und indigene Aktivist_innen zusammenfinden. Das FBI dreht voll auf.

Politische Kämpfe in die Öffentlichkeit tragen

Als die Schwarze Aktivistin Adelaide Norris von der „Women’s Army“ in Polizeigewahrsam stirbt und behauptet wird, sie habe Selbstmord begangen, rüttelt das selbst drei Journalist_innen auf, die zuvor an der Bewegung gezweifelt hatten. Sie schreiben ein Editorial. Und werden gefeuert.

Auch die Radio Jockeys von Phoenix Radio und von Radio Ragazza finden zu einer neuen Koalition, als ihre Sender in Brand gesetzt werden. Sie gründen den Piratensender Phoenix Ragazza Radio.

Dass sie fortan aus U-Haul-Transportern senden, kann als ironisches Kopfnicken in Richtung des „Lesbian U-Hauling“ verstanden werden, jener Gewohnheit, nach dem zweiten Date sofort zusammenzuziehen, die Lesben sich selbst nachsagen. Bei Borden wird der Umzugswagen zum Werkzeug, um auf Sendung zu bleiben und politische Kämpfe in die Öffentlichkeit zu tragen.

Auch in Berlin gibt es diese Woche eine Demo auf Rädern. Zum „Tag der lesbischen Sichtbarkeit“ am 26. April findet wieder die „Fahrraddemo zur lesbischen* Sichtbarkeit“ statt. Sie legt einen Zwischenhalt am Gedenkort Hilde Radusch in Schöneberg ein, der an die lesbische Kommunistin, Antifaschistin und Mitbegründerin des Berliner feministischen Archivs FFBIZ erinnert. Wer keinen Zugang zu einem Rad hat, kann sich unter fahrrad(a)queer-networking.de melden. So einfach kann das Teilen von Ressourcen sein.

Zugang zu Toiletten, Wohnraum, Wahlrecht, Jobs

Für mich ist „Sichtbarkeit“ immer ein ambivalenter Begriff. Wir sind es dem Mainstream nicht schuldig, uns lesbar oder konsumierbar zu machen, um politisches Gehör zu finden. Ich weiß, dass es ein Problem der Hyper-Visibilität gibt, das uns je nach Klasse, Rassifizierung und gelebtem Gender unterschiedlich trifft.

Am Ende geht es an diesem Tag darum, wofür wir kämpfen. Für eigene Formen des Gedenkens wie an Hilde Radusch und für das Recht von Menschen aller Geschlechter auf öffentlichen Raum. Für Präsenz in Schulbüchern und Zugang zu Toiletten, Wohnraum, Papieren, Wahlrecht und Jobs.

Die Weigerung, sich aus der Geschichte schreiben zu lassen, ist das Bestehen auf unsere Gegenwart und Zukunft. Vielleicht mag ich deswegen das Bild des feministischen Radiosenders so gerne, der politische Haltung hörbar macht und sie auf allen Kanälen sendet.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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