Zukunft des KaDeWe: Luxus geht immer

Dass das Berliner Edelkaufhaus Insolvenz angemeldet hat, bedeutet nicht gleich Schließung. Die Geschäfte laufen gut – Krise hin oder her.

Das beleuchtete Kaufhaus KaDeWe in Berlin

KaDeWe in Berlin: Insolvenz – na und? Foto: Annegret Hilse/reuters

BERLIN taz | „Final Sale“, damit wird vereinzelt in der Kleiderabteilung des Berliner Edelkaufhauses KaDeWe gelockt. Aber nach dem großen Rausverkauf sieht es trotzdem nicht aus. Schließlich beherbergt das Kaufhaus eher Marken aus dem gehobenen Segment, und die halten nicht so viel davon, ihre Ware auf dem Wühltisch zu verramschen, weil teuer und edel nach den Regeln des Brandmarketings besser nicht mit billig in Verbindung gebracht werden sollte.

Und bloß weil das KaDeWe als Teil der KaDeWe Group nun einen Insolvenzantrag gestellt hat, muss man auch nicht denken, dass die paar Sale-Verkündungen mit diesem etwas zu tun haben. Sondern einfach nur damit, dass die Winterjacken rausmüssen, weil bald Frühling ist.

Zumindest gehen davon bislang die ganzen Experten aus, die sich mit dem komplizierten Fall KaDeWe beschäftigt haben. Das Kaufhaus, der Stolz Berlins, ganz in der Nähe des einst berühmten Ku’damms gelegen, ist eben nun Teil einer Zockerei geworden, bei der es um Milliarden geht und bei der hinter den Kulissen Millionensummen hin und her geschoben werden wie Spielgeld.

Was da gerade läuft, ist ja absolut filmreif. Der windige Wunderwuzzi René Benko, einst Liebling der dubiosesten Seilschaften in Österreich, dem man auch in Berlin um den Hals gefallen ist, hat sich als großer Blender erwiesen. Sein Signa-Imperium ist pleite. Wie es mit deren Kaufhäusern Galeria Karstadt Kaufhof nun weitergeht, weiß gerade kein Mensch. Aber stinknormale Kaufhäuser wirken ja eh wie aus der Zeit gefallen, weil man Socken und Schnellkochtöpfe heutzutage eben lieber im Internet bestellt. Dass diese Kaufhäuser nun ganz verschwinden könnten, ist zumindest nicht ausgeschlossen.

Doch das KaDeWe tickt eben anders als normale Kaufhäuser, weswegen Benko es in seinem unübersichtlichen Firmengeflecht lieber mit weiteren Edelkaufhäusern – dem Oberpollinger in München und dem Alsterhaus in Hamburg – zu einer eigenständigen Luxuskaufhauskette zusammengeschlossen hat.

Umsätze auf Rekordhoch

Und die läuft eigentlich gut. Nach eigenen Angaben würden nach der Coronapandemie täglich 50.000 Kunden und Kundinnen im KaDeWe shoppen, die Umsätze, heißt es, seien auf einem Rekordhoch, das in diesem Jahr nach den Prognosen noch übertroffen werden soll.

Das bestätigt voll und ganz die These, dass selbst in schlechten, unsicheren Zeiten Luxus immer geht. Weil Krisen ein paar Glücklichen einfach nichts ausmachen im Kapitalismus, weil die an diesen vielleicht sogar noch verdienen. Und bei wem es sozial dann doch nach unten geht, der verirrt sich vielleicht gerade trotzdem ins KaDeWe, weil so ein Konsumtempel eben auch ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt. Selbst wenn man insgeheim weiß, dass man längst nicht mehr in der gehobenen Liga spielt.

Vom Prinzip her ist auch das KaDeWe ein stinknormales Kaufhaus. Nur dass hier alles etwas schicker ist. Und dass man nicht verzweifelt herumsuchen muss wie einem normalen Karstadt, bis man jemanden findet, der einen berät.

Wenn man hier zwischen Marken von Chanel bis Louis Vuitton umherschleicht, denkt man auch nicht unbedingt an die fast 120-jährige Geschichte des Hauses. An die Enteignung seiner jüdischen Besitzer in der Nazizeit und die „Arisierung“ des Kaufhauses. Zumindest dann nicht, wenn man nicht gerade Fan der in den zwanziger Jahren spielenden und vor zwei Jahren in der ARD ausgestrahlten Fernsehserie „Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit“ ist und nun Originalschauplätze bestaunen möchte. Auch die Ära, in der das KaDeWe symbolisch für den Kampf der Systeme stand, dafür, dass man hier im Westen eben alles bekommen konnte und die im Osten nicht einmal Bananen, ist längst vorbei.

In seinem Song „Where are we now?“ erinnerte sich David Bowie nostalgiebeseelt an seine Jahre in Berlin und erwähnte sogar explizit das KaDeWe

David Bowie in der Feinkostabteilung

Ein wenig aktueller ist da schon der popkulturelle Glamour, der vor zehn Jahren von unerwarteter Seite dem Kaufhaus kredenzt wurde. Niemand Geringeres als David Bowie erinnerte sich in seinem Song „Where are we now?“ nostalgiebeseelt an seine Jahre in Berlin und erwähnte in diesem sogar explizit das KaDeWe. Dort, so geht die Legende, soll der britische Popmusiker sich immer mit Feinkost versorgt haben, die ihm sein zeitweiliger Mitbewohner Iggy Pop dann regelmäßig weggefuttert habe.

Das Besondere an dem Haus bleibt tatsächlich die angeblich bereits von David Bowie so gerne besuchte Feinkost- und Fressabteilung im obersten Stock, die größte ihrer Art in ganz Europa. Hier machen sich die Besucher und Besucherinnen auch an einem normalen Wochentag über die Hummer und Austern her und schlürfen hinterher noch einen Champagner.

Dass man sich als Reicher so etwas leisten kann, lässt sich wohl ­nirgendwo besser demonstrieren als in ­einem Kaufhaus. Und darum muss es ja gehen, denn an der tollen Atmosphäre hier oben kann es ja nicht liegen, dass so viel los ist. Man muss hier eher an eine Markthalle als an einen Gourmet­tempel denken.

Eine düstere Insolvenzstimmung ist auch nirgendwo zu finden. Der Mitarbeiter eines Standes, der sich im obersten Stockwerk einquartiert hat und Teemaschinen verkauft, gibt an, sich keine Sorgen zu machen. „Das KaDeWe hat einen Ruf in der ganzen Welt und ist bei Touristen sehr beliebt, das wird ganz sicher gerettet“, sagt er. Irgendjemand zocke nun eben und werde sehr viel Geld verdienen und dann wird alles so weitergehen wie bisher.

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Ein Gast, der sich gerade etwas an einer der feinen Fressbuden gegönnt hat und sich als Stammkunde zu erkennen gibt, will sogar ganz genau wissen, was passieren wird mit dem KaDeWe­. Er nennt alle möglichen Zahlen, scheint sich bestens auszukennen und sicher zu sein, in seiner Glaskugel die Zukunft erkannt zu haben.

Das Kaufhaus, so führt er aus, werde in die Insolvenz gehen, um die beklagten überteuerten Mieten und Benko endgültig los zu sein. Die thailändische Central Group, die etwas mehr als die Hälfte der Anteile an dem Kaufhaus hält, werde vorerst nicht einspringen, auch wenn sich das gerade so viele erhoffen. Die Bürgschaft von 90 Millionen Euro, die der Bund und die Stadt Berlin im Jahr 2020 bereitgestellt haben, werde damit allerdings futsch sein. Dann werde der Wert des Hauses sinken und schließlich werden die Thailänder oder vielleicht auch jemand anderes Benkos Anteile doch noch übernehmen. Und ordentlich dabei verdient haben.

Möglicherweise ist das kein ganz unrealistisches Szenario, das hier skizziert wird.

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