EU-Verbot von Kunstrasen: Das Ende des Plastikfußballs

Wird Fußball bald auf zerkleinerten Olivenkernen gespielt? Nach dem EU-Verbot von Plastikgranulaten ab 2031 braucht es einen alternativen Kunstrasen.

Auf einem Kunstrasenplatz spritzen Plastikteile auf, nach ein Ball getreten wurde

Kunststoffkügelchen werden bei Unwetter in die angrenzende Natur gespült Foto: Kristen/imago

Eigentlich gehört für Frank Dreher der Duft nach frisch geschnittenem Rasen zum Fußball wie der Ball, um den sich auf dem Platz alle streiten: „Ein Spiel auf Kunstrasen kommt an eines auf echtem Rasen nicht heran“, sagt der Vorstand Jugend des badischen Landesligisten VfB Bühl. Und das nicht nur aus ästhetischen Gründen, wenngleich die neuesten Kunstrasenplätze auch in dieser Hinsicht nicht mehr mit den ersten Generationen zu vergleichen seien: „Aber wenn Sie bei einem Tackling fünf Meter über den Platz schlittern, sieht Ihr Oberschenkel auch heute noch aus wie bei einer Brandwunde.“

Dennoch haben sie auch beim Siebtligisten seit über zwei Jahren einen hochmodernen Kunstrasenplatz, der mit Kork-Pellets aufgefüllt wurde. Und Dreher ist sich sicher, dass genau das die Zukunft für die gesamte Branche sein wird: „Der Trend ist eindeutig. Auf Kunstrasen kann ich bei jeder Witterung spielen. Und er braucht so gut wie keine Pflege.“ Vor allem Letzteres ist ein großer Vorteil für die Vereine im unterklassigen Fußball, bei denen es an allen Ecken und Enden an Ehrenamtlichen fehlt. „Früher“, weiß Dreher, „hatte man ein altgedientes Vereinsmitglied, das sich darauf gefreut hat, die Plätze neu einzukreiden und den Rasen zu pflegen.“ Heute macht das bei den verbliebenen Rasenplätzen auch in Bühl ein Minijobber.

Der Kunstrasenplatz hingegen hat Markierungen, denen weder Regen noch Sonne etwas anhaben können. Und er muss nicht gewässert werden. Im Sommer, wenn nicht nur im heißen Südwesten die Temperaturen oft wochenlang über der 30-Grad-Marke liegen, werden Tag für Tag Unmengen an Wasser benötigt, um das Austrocknen der Plätze zu verhindern.

Mehrere Tonnen von diesen Kunststoffkügelchen liegen auf einem einzigen Kunstrasenplatz

In Zeiten des Klimawandels ist das ein Luxus, der nur schwer zu verantworten ist. Einerseits. Andererseits ist die Umweltbilanz der Kunstrasenplätze mit Plastik- oder Gummigranulat noch viel verheerender. Die ein bis drei Millimeter großen Plastik-Kügelchen sollen Erschütterungen abfedern und dafür sorgen, dass der Ball zumindest ähnlich wie auf einem Rasenplatz abspringt und rollt. Mehrere Tonnen von diesen Kunststoffkügelchen liegen auf einem einzigen Platz. 30.000 davon soll es in der EU geben – jahrelang gefördert von der Politik: Nachdem die EU die Ablagerung von Altreifen auf Mülldeponien verboten hatte, landeten diese – zu Granulat geschreddert – verstärkt auf europäischen Kunstrasenplätzen.

Die Mikroplastik-Problematik-wurde dabei lange ignoriert. Die Deutsche Umwelthilfe schätzt, dass aus Kunstrasen 10.000 Tonnen Plastik pro Jahr freigesetzt werden und schließlich selbst in den entlegensten Regionen der Erde und der Ozeane nachgewiesen werden. In Freiburg sorgte im Sommer 2021 ein Unwetter dafür, dass von einem Trainingsgelände am Möslestadion des Bundesligisten SC Freiburg grünes Kunstrasen-Granulat die angrenzenden Parkauen überschwemmte. Am Ufer des nahe gelegenen Baches bildeten sich Teppiche aus erbsengroßem Plastikgranulat.

Gerade eben hat die EU-Kommission nun beschlossen, dass Kunststoffgranulate bei Kunstrasenplätzen mit einer Übergangsfrist von acht Jahren verboten werden sollen.

Auslaufmodell Kunstrasen

Der Stadtstaat Hamburg hat die öffentliche Förderung von Kunstrasenplätzen mit Gummigranulat derweil bereits vor drei Jahren eingestellt, berichtet Frank Fechner, der Geschäftsführer des Eimsbütteler Turnverbandes, dem mit 19.000 Mitgliedern drittgrößten Hamburger Sportverein, dessen erste Mannschaft in der viertklassigen Regionalliga Nord spielt.

Vor zwölf Jahren haben sie beim ETV den ersten Kunstrasenplatz gebaut. Der galt damals als neuester Schrei, auch ökologisch. Dass das eine Fehleinschätzung war, weiß man auch in Hamburg längst. „Der Platz ist mittlerweile durchgespielt“, berichtet Fechner. „Und dass Gummi- und Kunststoffgranulate ein Auslaufmodell sind, hat sich natürlich längst herumgesprochen.“ Nur, wenn es um mögliche Alternativen geht, herrscht Ratlosigkeit. In Eimsbüttel. Und im Rest der Republik.

Grundsätzlich wäre geschredderter Kork, ein reines Naturprodukt, eine gute Alternative. Doch der kann ebenso weggeschwemmt werden, wie es jüngst nach Starkregen im Hamburger Norden und in Eitorf (Rhein-Sieg-Kreis) passierte. Vor allem taugt auch Kork nicht flächendeckend als Alternative zu Kunststoffen.

„Kork ist ein endlicher Rohstoff“, sagt der ehemalige Leiter des Fraunhofer-Instituts für chemische Technologie, Peter Eyerer. „Wenn man weiß, dass man etwa zehn Tonnen Kork pro Platz braucht, braucht man nicht lange zu rechnen, um zu wissen, dass das keine flächendeckende Alternative ist.“ Eyerer setzt große Hoffnungen auf ein anderes Naturprodukt: Zerkleinerte Olivenkerne oder Kerne von Steinobst könnten eine Alternative sein. Die Forschung läuft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.