Sperrstunde in den Niederlanden: Ins eigene Knie geschossen
Die Ausgangssperre mag im Kampf gegen Corona sinnvoll sein. Die Regierung hätte indes gut daran getan, juristisch sauber vorzugehen.
Bitte radeln Sie nachhause: Die Polizei kontrollierte am Dienstag die Einhaltung der Sperrstunde Foto:
Robin Utrecht/anp/dpa
Das aufgeladene Thema Ausgangssperre ist in den Niederlanden um eine dramatische Zuspitzung reicher. An ihrer Einführung im Januar entzündeten sich gewaltsame Proteste. Am Dienstag nun wurde die bislang drastischste Maßnahme der Coronabekämpfung zunächst von einem Gericht mit sofortiger Wirkung kassiert, weil die Notfallsituation, auf der sie basierte, juridisch nicht haltbar sei. Die Regierung ging jedoch in Berufung und erwirkte per Schnellverfahren einen vorläufigen Aufschub.
Bis zum Urteil am Freitag also bleibt die Sperrstunde. Und nach aller Wahrscheinlichkeit auch darüber hinaus, denn das bis zu den Wahlen im März nur noch kommissarisch tätige Kabinett will die Maßnahme per Schnellgesetz erhalten. Die beratenden Virologen halten sie im Kampf gegen die dritte Coronawelle für unerlässlich. Unabhängig vom für sie günstigen Ergebnis des Berufungsverfahrens ist der Regierung erheblicher Schaden erwachsen.
Zum einen, weil sich die Klägerin gegen die Sperrstunde, die inhaltlich im Querdenker-Spektrum anzusiedelnde Stiftung „Virus-Wahrheit“, nun wirkungsvoll als Opfer der vermeintlichen Coronadiktatur inszeniert. Daran ändert auch nichts, dass deren Galionsfigur Willem Engel nach dem Urteil seinen hanebüchenen Fantasien freien Lauf ließ von Plätzen voller feiernder Menschen.
Zum anderen macht das juristische Tauziehen erneut deutlich, wie Mark Ruttes Mitte-rechts-Regierung mit ihrer von Pannen gezeichneten Coronapolitik die eigene Position untergräbt. Die Kritik an ihrem Kurs ist bisweilen wohlfeil und populistisch. Was freilich nicht sagt, dass Maßnahmen, die derart drastisch in freiheitliche Grundrechte einschneiden, rechtsstaatlich wasserdicht unterbaut werden müssen – auch und gerade weil die Mehrheit der Niederländer sie akzeptiert.
Das Gebot der Stunde in dieser komplexen Konstellation heißt doppelte Wachsamkeit: gegenüber den Komplott-Inszenierungen der Coronaleugner, aber auch gegenüber der Regierung, die es in Anbetracht der fortgesetzten Krisenlage mit ihren Vollmachten nicht mehr so genau nimmt.
Sperrstunde in den Niederlanden: Ins eigene Knie geschossen
Die Ausgangssperre mag im Kampf gegen Corona sinnvoll sein. Die Regierung hätte indes gut daran getan, juristisch sauber vorzugehen.
Bitte radeln Sie nachhause: Die Polizei kontrollierte am Dienstag die Einhaltung der Sperrstunde Foto: Robin Utrecht/anp/dpa
Das aufgeladene Thema Ausgangssperre ist in den Niederlanden um eine dramatische Zuspitzung reicher. An ihrer Einführung im Januar entzündeten sich gewaltsame Proteste. Am Dienstag nun wurde die bislang drastischste Maßnahme der Coronabekämpfung zunächst von einem Gericht mit sofortiger Wirkung kassiert, weil die Notfallsituation, auf der sie basierte, juridisch nicht haltbar sei. Die Regierung ging jedoch in Berufung und erwirkte per Schnellverfahren einen vorläufigen Aufschub.
Bis zum Urteil am Freitag also bleibt die Sperrstunde. Und nach aller Wahrscheinlichkeit auch darüber hinaus, denn das bis zu den Wahlen im März nur noch kommissarisch tätige Kabinett will die Maßnahme per Schnellgesetz erhalten. Die beratenden Virologen halten sie im Kampf gegen die dritte Coronawelle für unerlässlich. Unabhängig vom für sie günstigen Ergebnis des Berufungsverfahrens ist der Regierung erheblicher Schaden erwachsen.
Zum einen, weil sich die Klägerin gegen die Sperrstunde, die inhaltlich im Querdenker-Spektrum anzusiedelnde Stiftung „Virus-Wahrheit“, nun wirkungsvoll als Opfer der vermeintlichen Coronadiktatur inszeniert. Daran ändert auch nichts, dass deren Galionsfigur Willem Engel nach dem Urteil seinen hanebüchenen Fantasien freien Lauf ließ von Plätzen voller feiernder Menschen.
Zum anderen macht das juristische Tauziehen erneut deutlich, wie Mark Ruttes Mitte-rechts-Regierung mit ihrer von Pannen gezeichneten Coronapolitik die eigene Position untergräbt. Die Kritik an ihrem Kurs ist bisweilen wohlfeil und populistisch. Was freilich nicht sagt, dass Maßnahmen, die derart drastisch in freiheitliche Grundrechte einschneiden, rechtsstaatlich wasserdicht unterbaut werden müssen – auch und gerade weil die Mehrheit der Niederländer sie akzeptiert.
Das Gebot der Stunde in dieser komplexen Konstellation heißt doppelte Wachsamkeit: gegenüber den Komplott-Inszenierungen der Coronaleugner, aber auch gegenüber der Regierung, die es in Anbetracht der fortgesetzten Krisenlage mit ihren Vollmachten nicht mehr so genau nimmt.
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Kommentar von
Tobias Müller
Autor*in
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