Antisemitismus an Berliner Hochschulen: Rauswurf mit Eile

Nach antisemitischen Übergriffen von Studierenden will der Senat bis Ende März eine Gesetzesänderung für Zwangsexmatrikulationen auf den Weg bringen.

Das Bild zeigt SPD-Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

Die Umfallerin: Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra war eigentlich gegen Exmatrikulationen. Nun kann es nicht schnell genug gehen Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Erst stellte sich Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) quer, nun hat sie dem Druck innerhalb der Koalition nachgegeben: Ihr Haus bereite eine Gesetzesänderung vor, mit der Exmatrikulationen von „Gewalttätern und Straftätern“ an Berliner Hochschulen wieder möglich gemacht werden, sagte Czyborra am Dienstag im Anschluss an die Senatssitzung.

Der Gesetzentwurf soll „so schnell wie möglich“, jedenfalls noch vor der Osterpause Ende März, vom Senat beschlossen werden. Bis zum Sommer könnte die Novelle des Hochschulgesetzes dann das Abgeordnetenhaus passieren, sagte Czyborra. „Wir sehen da eine große Eilbedürftigkeit“, assistierte ihr Senatssprecherin Christine Richter.

Der Eilbedürftigkeit vorausgegangen war Anfang Februar die brutale Attacke eines Studenten der Freien Universität auf einen jüdischen Kommilitonen in Mitte. Die Staatsanwaltschaft geht von einem gezielten Angriff mit antisemitischem Hintergrund aus. Gegen den Angreifer hat die FU bereits ein dreimonatiges Hausverbot auf dem gesamten Campus ausgesprochen – mit Option auf Verlängerung. Mehr ist nach einer Änderung des Hochschulgesetzes 2021 nicht drin. Das soll nun geändert werden.

Mit ihrem Bekenntnis, „einen sicheren Rechtsrahmen“ für Exmatrikulationen schaffen zu wollen, legt die Wissenschaftssenatorin letztlich eine veritable Rolle rückwärts aufs Parkett. So hatte Czyborra noch vor gut zwei Wochen darauf verwiesen, dass es an Hochschulen auch „mal Konflikte“ gebe. Werde das zu arg, reiche das Mittel des Hausverbots. Das müsste eben nur angewandt werden. Was für sie nicht infrage komme, sei ein Hochschulrausschmiss „aus politischen Gründen“.

Blick in andere Bundesländer wenig hilfreich

Die Empörung über die „Skandalsenatorin“ Czyborra war groß. Auch in den eigenen Reihen. Zumal sie sich mit ihrem klaren Nein zu Exmatrikulationen auch gegen den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) stellte, die zuvor ein hartes Durchgreifen gegen An­ti­se­mi­t:in­nen an Hochschulen gefordert hatten.

Die Abneigung der Senatorin gegen eine Gesetzesänderung kommt dabei nicht von ungefähr. Schließlich war sie 2021 in der damaligen rot-rot-grünen Koalition als zuständige Fachsprecherin der SPD-Fraktion aktiv daran beteiligt, die Möglichkeit zur Exmatrikulation nach Straftaten aus dem Hochschulgesetz zu streichen. Eine Entscheidung, die sie auch am Dienstag offensiv verteidigte: Der seinerzeitige Paragraf hätte, so Czyborra, „sinn- und zusammenhangslos“ im Gesetz gestanden und „wurde nie angewandt“. Es habe sich um „totes Recht“ gehandelt.

Ob Letzteres mit der Neuregelung anders wird, steht in den Sternen. Czyborras Blick in die Exmatrikulations-Bedingungen anderer Bundesländer scheint schon mal wenig hilfreich gewesen zu sein: „Viele der Regeln anderer Länder sind in meinen Augen nicht anwendbar.“

Die Linke warnte am Dienstag dann auch vor Schnellschüssen und verfassungsrechtlichen Hürden. Die Hochschulen müssten zwingend „umfassende Gegenstrategien“ gegen Antisemitismus im akademischen Kontext entwickeln, erklärte der Linke-Abgeordnete Tobias Schulze. Allein: „Ein übereiltes Vorgehen bei der geplanten Einführung der Exmatrikulationen von Studierenden als zentrale Maßnahme im Kampf gegen Antisemitismus an Hochschulen wird dem nicht gerecht.“

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