Neue Plagiatsaffäre: Stoiber-Tochter hat Abschreiberitis
Guttenberg reloaded: Auch die Tochter des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber hat offenbar plagiiert. Sie soll über 26 Prozent ihrer Dissertation abgeschrieben haben.
BERLIN taz | Die Aufregung um die abgeschriebene Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich gerade erst gelegt, da taucht schon wieder eine neue Plagiatsaffäre auf. Wie das Münchener Boulevardblatt Abendzeitung berichtete, soll auch die Tochter des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ihre Dissertation ge-strg-c-t haben.
Die 33-jährige Veronica Saß, die in einer Münchner Anwaltskanzlei arbeitet, hat im Dezember 2008 an der Universität Konstanz in Jura promoviert. Auf der Internetplattform "VroniPlag Wiki" wird derzeit mit Hilfe der Schwarmintelligenz im Netz ihre Doktorarbeit "Regulierung im Mobilfunk" auseinandergenommen – ganz "nach dem Vorbild der Dissertationsaufarbeitung des Freiherren zu Guttenberg".
Laut aktueller Recherche wurden bisher auf 94 Seiten Plagiate gefunden. Das sind 26,7 Prozent der Dissertation, und es werden immer mehr. Offensichtlich gibt es ein fast durchgängiges, wortwörtliches Plagiat über fast 40 Seiten. "Hier noch von einem 'Verdacht' zu sprechen, wird der erdrückenden Beweislage nicht gerecht", so das Urteil auf der Wiki-Seite.
Saß hatte sich offenbar nicht nur an Zeitungsberichten, Wikipediaeinträgen, Diplomarbeiten, Standardwerken, Pressemeldungen und einer Stellungnahme des DGB bedient, sondern auch seitenweise von einem Diskussionspapier der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg abgeschrieben.
Die Universität Konstanz wird möglicherweise noch in diesem Frühjahr eine Entscheidung über die Aberkennung des Doktortitels von Veronica Saß fällen. Das kündigte eine Sprecherin der Universität gegenüber der Onlineausgabe der Mitteldeutschen Zeitung an. Allerdings wollte sie den Namen der Person nicht nennen, da es "keine Person des öffentlichen Interesses" sei. Die Universitätssprecherin sagte der Mitteldeutschen Zeitung, am 14. Februar sei ein Schreiben mit den Plagiatsvorwürfen eingegangen. Seither werde die Arbeit geprüft.
Solche Vorwürfe würden an der Universität "generell sehr ernst genommen". Man habe die Beteiligten, darunter die beiden Gutachter, um Stellungnahmen gebeten. Sobald diese vorlägen, werde der Promotionsausschuss zusammen treten. "Es kann dann sehr schnell zu der Entscheidung kommen, dass der Doktorgrad aberkannt wird", betonte die Sprecherin.
Leser*innenkommentare
heimatverbunden
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Exaneb in München, mit oder ohne Prädikat?Promotion in Konstanz, mit oder ohne Sondergenehmigung?
kakadu
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jetzt weiss ich endlich auch warum stotter-stoiber so ein famoser redner war, es fehlte im schlicht immer sein synchronsprecher und das hat sich wohl vererbt.
Holger Barth
Gast
Auf dem Weg zum Doktorvater verunfallt:
http://www.bild.de/leute/star-news/gilching/autounfall-3874994.bild.html
Geblendet oder schlechtes Gewissen?
Erasi
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April, April?
atypixx
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Eine Bitte an die taz: Bleibt an dem Strafverfahren gegen Guttenberg dran!
hanfbauer
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Was heisst da abgeschrieben? Das nennt man doch "versehntlich die Übersicht über die Quellenlage verlieren" oder so...
Hans Mayer
Gast
Sie hat halt das gemacht, was in diesem Milieu von Leistungsträgern nicht ungewöhnlich sein dürfte. Leistung ist Energie pro Zeit. Wer abschreibt, schafft mehr in derselben Zeit, erbringt also eine höhere Leistung als diejenigen, die so dumm sind, sich selbst abzurackern. Am schönsten ist Folgendes: Nach meinem Wissen wurde Herr zu Guttenberg auch von Herrn Stoiber sinngemäß mit den Worten „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ abgewaschen. Diese Äußerung erschien wie eine am Kern der Sache vorbeigehende Allerweltsphrase, halt geistig-moralische Billigware, wie man von einem Herrn S. erwartet. Nun allerdings gewinnt sie einen unvermuteten, konkreten Sinn.
Wer 40 Seiten undeklariert übernimmt und als eigenes Werk ausgibt, begeht Betrug. Dieser Betrug ist angesichts einer eidesstattlichen Versicherung strafrechtlich relevant. Es ist völlig unerheblich, wie man auf den Fall kam. Dass Regeln gebrochen werden in Fällen, die nicht bekannt werden, spricht nicht dagegen, die Fälle, die bekannt werden, zu verfolgen. Oder ist es ein Freibrief zum Lügen, wenn jemand lügt, ohne dass es herauskommt?
Holger Barth
Gast
Presseberichten ist zu entnehmen, dass die Uni Konstanz bezüglich der Einhaltung der wissenschaftlichen Regeln eine eidesstattliche Versicherung des Promovenden verlangt. Die Rechtsanwaltskammer München wird außerdem berufsrechtliche Konsequenzen zu prüfen haben.
Kurt W. Fleming
Gast
Also ich finde das toll, was diese Leute in der CSU und/oder in derem Ausdünstingsumfeld machen. Besser also wie hier getan (damit meine ich das "Dissertieren", ob mit oder ohne fremde Hilfe) kann man sich gar nicht mehr herabwürdigen.
Wenn es sonst nicht (mehr) reicht, bescheuerte Politik zu entlarven, doch dann über jene "Doktoren", die keine Ahnung haben, die also nicht in der Lage sind, wissenschaftlich zu sein (zu arbeiten, zu schreiben), ergo auch keine Politik zu machen in der Lage sind, die man nachhaltig nennen kann im dem Sinne, daß es wirklich der ganzen Bevölkerung zugute kommt.
Vielleicht gelingt es bei all diesen korrumpierten Doktoren aus den staatstragenden Parteien, diese über den Weg der Entlarvung bei der Entstehung ihrer Doktorarbeiten ins politische Abseits zu bringen.
Denn bei Wahlen, das sieht man jetzt, ist das schwer möglich.
Andrea
Gast
Wieso durfte Veronika Stoiber überhaupt promovieren? Mein Mann ist ebenfalls Jurist und war in derselben Arbeitsgemeinschaft. Veronika Stoiber ist einmal durchs 2. Staatsexamen gerasselt und hat deshalb vermutlich auch den 2. Versuch nicht so überragend geschafft. Wo hat sie ihren Doktorvater gefunden? An der Uni Timbuktu?
Schön langsam bekommt man in Bananien echt das Kotzen!
tom
Gast
Weiß jemand, ob wenigstens die Uni Konstanz Fachbereich Recht in ihrer Promotionsordnung eine "Versicherung an Eides Statt" verlangt oder wie bei Gutti auch nur eine "Ehrenerklärung", dass alle Zitate gekennzeichnet seien?
Holger Barth
Gast
Kein "vernünftiger" Promovend mit Titelerwerbsabsicht würde meines Erachtens das Risiko eingehen und selbst derart dreist plagiieren, wie es bei zu Guttenberg und nun offensichtlich auch in einem (ersten?) weiteren Fall scheint. Plausibler erscheint mir daher die Vermutung, dass hier ein dreister Ghostwriter mit seinen "arglosen" Kunden schnelles Geld gemacht und psychoanalytisch gesehen vielleicht Rache an seinen Auftraggebern geeübt hat. Dr. Heribert Prantl (SZ) sucht ihn und wird ihn vielleicht auch finden. Generation und gesellschaftliches Umfeld der möglichen Auftraggeber geben erste Hinweise, dies auch auf weitere potenzielle Kunden.
Jacq
Gast
Abschreiberitis? Ich dachte, das heißt guttenbergen - in Bayern offensichtlich ein Volkssport!
Thomas
Gast
@Pater Brown
"Man habe die Beteiligten, darunter die beiden Gutachter, um Stellungnahmen gebeten."
...ist korrekt. Andernfalls würde man den Eindruck erwecken, es würde die Stellungnahme eines Beteiligten ausreichen, das ist aber gerade nicht der Fall.
löwe
Gast
Abschreiben ist nicht erlaubt aber es hilft manchmal.
Darüber nachzudenken ob die zuständige Prüfungskommission nicht selbst in der Form abgeschrieben hat, dass Sie einiges wissentlich vernachlässigt hat zu Prüfen?
Jemand der über Dissertationen entscheidet müsste doch eine ausreichende Qualifikation haben, oder ist es wirklich nur eine Frage von Vitamin B und Geld?
Feinfinger
Gast
„Der Hausfriedensbruch im Lichte aktueller Probleme“
ist der Titel von Edmund S. Dissertation. Kann mensch doch bestimmt auch einscannen und durch's weltweite Gewebe jagen. ;-)
Gilbert
Gast
Hei, ist doch schon normal. Wenn man alle Arbeiten in Deutschland prüfen würde, hätte man kaum noch promovierte Menschen hier.
Richtige Fragen stellen ist wichtig
Gast
Es ist begrüßenswert, dass die Internet-Schwarms den Sinn der akademischen Titel wiederherstellen. Die richtigen Fragen werden aber nicht gestellt, und da muss man den Soziologen Michael Hartmann folgen: der Professor stellte fest, dass die meisten Doktoren aus dem gehobenden Bürgertum stammen. Falls die Internetschwarms lange genug agieren nach dem Zufallsprinzip, könnte sich irgendwann herausstellen, dass der akademische Titel einfach nur falsche Federn zur Legitimationsbeschaffung ist. Es sind vielleicht keine Nieten im Nadelstreifen, aber die Leistungsunterschiede zur normalen Bevölkerung ist nicht so groß, um das Anspruchsdenken und die politische und ökonomische Macht zu legitimieren. Ich halte es für besser Zufallstichproben durchzuführen mit ausreichender Fallzahl, um den Verdacht zu erhärten.
Holger Barth
Gast
Mit "Dienstleister" meinte ich nicht die "Aufspürer", sondern den mutmaßlichen Ghostwriter!
Mat
Gast
@Schwarm drüber
Na, dann leg doch mal los. Lade Dir ein paar Freunde ein los geht´s. Das sollte doch einem so intelligenten Menschen wie dir nicht schwer fallen, oder?
Ich finde ja, alle Arbeiten sollten mal überprüft werden. Mit dem Schwarm geht das doch recht fix. Bei bestandener Prüfung gibt´s ein Zertifikat:
Dr. - jetzt aber mal wirklich!
(Gültig: Bis zum Beweis des Gegenteils)
Dr. Fake
Gast
Warum sollte man einmal entwickelte Möglichkeiten zum Aufspüren von Plagiaten nach dem ersten Erfolg auch verwerfen? Man sollte eines dabei nicht vergessen: wer sich mit unlauteren Mitteln einen Vorteil, sowohl materiell wie auch im Status, verschafft, ist letzten Endes doch nicht mehr als ein Dieb. Die Aberkennung des Doktortitels ist demnach keine Strafe, sondern lediglich die Rückgewinnung des Diebesguts. Die Strafe sollte dann auch noch folgen!
Da die Tochter eines ehemaligen Ministerpräsidenten aber keine Person von öffentlichem Interesse ist, sollte in den Medien auch kein Name veröffentlicht werden - ein "an den Pranger stellen" mag zwar den Situationshunger von geBILDeten Leuten sättigen, den TAZ-Redakteur und -Leser sollte es aber dann doch stören - meine Meinung.
Holger Barth
Gast
Die Parallelen zur causa Guttenberg sind erstaunlich. Möglicherweise sind die Dienstleister identisch.
Pater Brown
Gast
"Man habe die Beteiligten, darunter die beiden Gutachter, um Stellungnahmen gebeten." Wohl eher "um eine Stellungnahme", denn weshalb sollten sie zwei oder mehr Stellungnahmen abgeben. Den Plural, also die Tatsache, dass es sich um mehrere Stellungnahmen handelt, gibt "die Beteiligten" kund und zu wissen.
Schwarm drüber
Gast
Eine irre These: Vielleicht haben Söhne und Töchter von Müllers, Meiers und Schmidts auch abgeschrieben! Auf, auf, Ihr 'Schwarm-Intelligenten', es gibt Misthaufen allerorten, über welchen sich kreisen lässt! Womöglich - wieder so ein verrückter Einfall - gibt es soger SPD-ler mit Dünnbrett-Dissertation, die man mit einem elegenaten Hupf über den eigenen parteipolitischen Schatten der digitalen Denunziation aussetzen könnte... Dass der rasant gewachsene Schwarm der neuen, furchtbar inbrünstigen Wissenschaftsverteidiger keine brisanteren Fälle zu Tage fördert, ist schon bemerkenswert. Echtes Interesse an den Themen Plagiat im Zeitalter von Wiki und Co., ernsthaftes Interesse an wissenschaftlichen Zitationsstandards und Prüfverfahren sieht anders aus. Hoffentlich denken Verantwortliche in den Universitäten seriöser nach, wie sie beispielsweise die Flut von wissenschaftsfern karrierebezogenen Dissertationen in Fächern wie Recht und Medizin zukünftig beherrschen wollen. Abgesehen von dem Augenmerk auf die eitle, bisweilen dünkelhafte Bevorzugung von Promikindern und Adelsabkömmlingen durch manche Hochschullehrer (und ungezählte Medienkonsumenten) scheint die Unterstützung durch diese fix verschlissene 'Schwarm-Intelligenzia' dabei verzichtbar...