Heimniederlage von Schalke: Flanken ins Nichts

Nach dem 1:2 gegen Hannover 96 wird immer deutlicher, dass sich Trainer Felix Magath mit den radikalen Maßnahmen zum Umbau von Schalke übernommen haben könnte.

Wären wohl gerade gerne woanders: Schalke-Torwart Manuel Neuer (m.), Kyriakos Papadopoulos (re.) und der vielgescholtene Christoph Metzelder müssen sich die Pfiffe der Gelsenkirchener Fans anhören. Bild: rtr

GELSENKIRCHEN taz | Manuel Neuer hätte am Samstag gerne seine Identität gewechselt. Der Torhüter von Schalke 04 stand während vieler Jahre als Fan in der Nordkurve, und in dieser Rolle hätte er seiner Verärgerung freien Lauf lassen können nach dem 1:2 (0:1) gegen Hannover 96. Über Christoph Metzelder etwa, der am Ende seines schwachen Auftritts bei jeder Ballberührung ausgepfiffen wurde. Als Schalker Kapitän sagte Neuer jedoch: "Ich muss das ja als Profi sehen, und da muss ich sagen, die Pfiffe tun einem Spieler bestimmt nicht gut." Als Kurvenfan wäre er wäre bestimmt auch wütend über Felix Magath. Der Trainermanager hat die beste Defensive der beiden zurückliegenden Bundesligajahre verkauft. Ob mit Heiko Westermann, Rafinha und Marcelo Bordon zu viele Abwehrspieler abgegeben worden seien, wurde Neuer gefragt. "Das werde ich als Spieler nicht sagen", erwiderte der frühere Kurvenfan.

Schalke befindet sich in einem desolaten Zustand, und das Symbol des missglückten Umbaus ist Metzelder. "Er ist geholt worden, um die Abwehr zu stabilisieren, aber das gelingt ihm bislang noch nicht", sagte Magath und räumte ein: "Es ist ein Problem für die ganze Mannschaft, wenn derjenige, der die Abwehr organisiert, außer Form ist." Metzelders Spiel war schon in Hamburg und im Pokal in Aalen durchsetzt von Fehlern. Metzelder lächelte seltsam und schüttelte den Kopf, als er um ein Statement gebeten wurde. Bester Verteidiger war der eben von Leverkusen verpflichtete Hans Sarpei, ein solider Mann, aber kaum geeignet, um an der Bundesligaspitze für Furore zu sorgen - und ein Indiz für die Not, in der Magath sich befindet.

Ganz offen sprach er von einem "Fehlstart", denn auch die versprochene Steigerung in der Offensive ist bislang nicht erkennbar. Raul blieb erneut blass, Jefferson Farfan, der bislang beste Stürmer, hatte einen "schwarzen Tag" (Magath), und der Versuch mit Alexander Baumjohann auf der linken Offensivseite war eine Enttäuschung. Leute wie Lukas Schmitz oder Christoph Moritz, Helden der Vorsaison, standen nicht mal im Kader.

FC Schalke 04: Neuer - Uchida (62. Hao), Matip, Metzelder, Sarpei - Jones (90.+1 Papadopoulos), Rakitic - Farfán, Baumjohann (79. Jendrisek) - Raúl, Edu

Hannover 96: Fromlowitz - Cherundolo, Haggui, Pogatetz, Schulz - Schmiedebach, Pinto - Stoppelkamp (70. Chahed), Rausch (83. Stindl) - Ya Konan, Abdellaoue (79. Djakpa)

Zuschauer: 61.226 (ausverkauft)

Tore: 0:1 Rausch (31.), 0:2 Abdellaoue (48.), 1:2 Jones (82.)

Gelbe Karten: Jones (1), Sarpei (1) / Haggui (1), Pogatetz (1)

Die alten Stärken sind verschwunden, neue gibt es noch nicht, und das gilt auch für die Standardsituationen. "Ich glaube, ich habe heute so viele Ecken geschlagen wie noch nie in meinem Leben, und die meisten waren auch gut", sagte Ivan Rakitic. Es fehlten jedoch die Abnehmer. Früher sorgten Heiko Westermann, Marcelo Bordon und Kevin Kuranyi für Gefahr bei hohen Bällen, nun flogen 15 Ecken und 38 Flanken vor das Tor von Hannover 96. Nur einmal entstand Gefahr - als Jermaine Jones zum 1:2 traf.

Der Eindruck bisher ist, dass Magath die Mannschaft mit seinen Sommertransfers geschwächt hat. Natürlich hat er Gründe, er wollte die Mannschaft spielerisch verbessern und Topverdiener von der Gehaltsliste streichen. Andererseits liegen noch rund 25 Millionen für neue Spieler bereit. Damit hätte man die Stabilisatoren der Vorjahre halten können, um den Umbruch sanfter zu gestalten.

Zumal Zvjezdan Misimovic, Magaths Wunschspieler, vom Wolfsburger Manager Dieter Hoeneß keine Freigabe für einen Bundesligisten erhält und wohl zu Galatasaray Istanbul wechselt. Nun sucht Magath unter enormem Zeitdruck nach weiteren prominenten Verstärkungen für alle Mannschaftsteile. Jan-Klaas Huntelaar vom AC Mailand ist ein Kandidat fürs Sturmzentrum, "wir haben Gespräche mit Milan geführt, inhaltlich kann ich aber nichts dazu sagen" sagte Magath. Laut der Sportzeitschrift Marca soll sich Schalke außerdem für den Mittelfeldspieler Jurado von Atlético Madrid interessieren, und wahrscheinlich hat Magath auch noch weitere Optionen. "Ich bin nicht pessimistisch, was die Zukunft angeht", sagte er. Vielleicht hat Magath am Mittwochmorgen tatsächlich die fehlenden Mosaiksteine beisammen, die Schalke zu einer Spitzenmannschaft machen, derzeit wirkt er aber eher so, als habe er sich übernommen mit seinen radikalen Maßnahmen.

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