Wegen linksradikaler Broschüre „prisma“: Aktivisten vom Netz genommen
Die Justiz legt projektwerkstatt.de lahm, weil sich dort auch eine Anleitung zum Brandsatzbasteln fand. Zehntausende andere politische Seiten waren mitbetroffen, klagen Aktivisten.
Die Berliner Justiz hat am Mittwoch und Donnerstag das Aktivistenportal projektwerkstatt.de lahmgelegt. Dadurch seien auch mehr als 10.000 gentechnik- und justizkritische Seiten nicht zu erreichen gewesen, beklagt die Atomkraftgegnerin und Vollzeitaktivistin Hanna Poddig. "Der starke Staat hat am 9. Juni 2010 diese Seite zwangsabgeschaltet", hieß es auf der Internetseite.
Ziel der Aktion war offenbar, an die Urheber der linksradikalen Publikation "prisma" zu gelangen, in deren Ausgabe Frühjahr 2010 sich Tipps befanden, wie Brandsätze gebastelt, Autos angezündet, Bahnstrecken sabotiert und Strommasten gefällt werden können. Die Kapitel tragen Überschriften wie: "Nobelkarossentod" und "Feuerlegen mit elektronischen Zeitzündern". Eine PDF-Version des Hefts war Anfang der Woche noch von der Seite projektwerkstatt.de abrufbar.
Schon vor dem 1. Mai dieses Jahres waren in Berlin linke Buchläden und Antifaversandhändler nach der gedruckten Ausgabe der "prisma" durchsucht worden. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen Aufforderung zur Straftat.
Nach Angabe der Aktivisten von projektwerkstatt.de fand am Mittwoch auch eine Hausdurchsuchung beim Inhaber der Seite in Berlin statt, seine Computer und Festplatten seien beschlagnahmt worden. Wie die Staatsanwaltschaft bestätigt, gab es auch eine Durchsuchung beim Provider JP Berlin, der sich selbst als „politischer Provider“ sieht und zu dessen Kunden auch die Globalisierungskritiker von Attac zählen.
Aktivistin Poddig ärgert sich, dass nicht nur das inkriminierte PDF heruntergenommen wurde, sondern das ganze Portal projektwerkstatt.de offline gehen musste – und macht dabei auch dem Provider Vorwürfe.
Der Provider hingegen sagt, man habe keine Wahl gehabt und "bis zur Klärung" die ganze Seite vom Netz nehmen müssen. Am Donnerstag habe der Seiteninhaber dann die beanstandeten Inhalte runtergenommen, , sagte ein Mitarbeiter von JP Berlin der taz. Am Nachmittag war das Portal projektwerkstatt.de wieder zu erreichen.
Die "prisma"-Broschüre hat in den vergangenen Wochen für viel Aufmerksamkeit gesorgt. "Anleitung aus dem Untergrund", titelte der Spiegel. Allerdings ist vieles von dem, was in der "prisma"-Broschüre steht, in ähnlicher Form schon in anderen linksradikalen Zeitschriften wie "Interim" und "radikal" erschienen. "Die Dinge sind nicht ganz neu, sondern in Teilen schon erschienen", räumt auch der Hamburger Verfassungsschutz ein. Zur Beruhigung trage die Publikation trotzdem nicht bei.
"Prisma" steht für "prima radikales info sammelsurium militanter aktionen". Gezeichnet ist die Broschüre mit "lunatics for system change" - Verrückte für den Systemwandel. Als Begründung für die Veröffentlichung wird genannt: "Veränderung von Gesellschaft bedeutet immer auch ein Überschreiten geltender Regeln."
Leser*innenkommentare
Juergen K
Gast
Hätten die Behörden-Mitarbeiter in der Zeit
Ein Pfund Reis nach Afrike getragen,
wären diese selbst wenigstens besser.
So sind sie es nicht.
Ir Nam
Gast
Hm, ich hab grad nen Buch des Israelkritikers Mankell gelesen. Darin wird eine Anleitung zum Mord gegeben, nachdem ich den Tatort von letzter Woche gesehen habe wurde mir Angst und Bang! Muss ich fürchten, dass das öffentlich rechtliche Fernsehen abgeschaltet wird?
Ein Glück sind Kurzschlußaussagen: "Wer x tut hat y verdient!" mit etwas drüber nachdenken gar nicht mehr so klar.
@charlotte
Gast
@charlotte
Dumm? Wo steht denn so etwas? Lese dir mal den autonomen-ehrenkodex duch, dann können wir weiter reden/schreiben.
Charlotte
Gast
Selber Schuld. Wer Anleitungen zum töten von Menschen verbreitet hat auch nichts besseres verdient.
Carlo
Gast
dem kann ich nur zustimmen! diese anschläge auf autos sind doch eh nur faschistischer terror, der andere menschen, die nicht nach dem eigenen lebensentwurf leben wollen, zur "räson" treiben soll. aber das hatten wir ja schon mal.
Tobias Bluhme
Gast
Das ist ja positiv, wenn die Behörden zumindest teilweise in der Richtung funktionieren, für die sie geschaffen wurden. Vielen Dank für dieses Plus an Sicherheit!
Don Geraldo
Gast
Ich versuche mir gerade vorzustellen, auf einer rechten Internetseite wäre eine Anleitung zu Straf- und Terrortaten zu finden gewesen.
Würde dann irgendjemand das Vorgehen der Sicherheitsbehörden in Frage stellen und etwaige Kollateralschäden in Form von nichtkrimminellen, aber ebenfalls von der Abschaltung betroffenen Seiten beklagen ?
Sondermann
Gast
Sehr bedenklich, da kann ich Hanna Poddig nur zustimmen. Ich kenne die Saasener Projektwerkstatt als anarchistische Spielwiese, von wo aus Jörg B. gern mal seinen Privatkrieg gegen Hessens Innenminister Bouffier austrug. Mit der Kappung der Website projektwerkstatt.de wird dieser Spielwiese aber eine verfassungsfeindliche Bedeutung zugeschrieben, die diese schlichtweg nicht hat. Hey ihr Richter und Staatsanwälte, bleibt doch bitte mal cool!
Außerdem finde ich es grundsätzlich schwierig, Websiten zu zensieren. Das riecht mir mehr nach autoritären Regimes wie Rotchina oder Iran als nach der angeblich freiheitlich-demokratischen Bundesrepublik...
Hoernchen
Gast
Sind die völlig besoffen? Wenn jemand anleitungen für so etwas braucht dann findet er sie so oder so im netz meist auf ausländischen seiten. deswegen seitenzu sperren ist total banane da müsste man schon das gesamte netz lahmlegen. von den ganzen naziseiten auf auslandsservern mal ganz ztu schweigen da stört sich mal wieder niemand dran!
sepp
Gast
Habt ihr das Teil noch nicht in der Hand gehabt oder warum führt ihr immer das Nullkapitel "Feuerlegen mit elektronischen Zeitzündern" als besonderen Schocker extra im Text auf?
Sebastian
Gast
Richtig so! Keinen Fussbreit den Faschisten!
Horst
Gast
Bei Google im Cache gibt es die Broschüre auch noch.
Thomas Braun
Gast
Richtig so. Was bilden sich diese Kriminellen unter dem Deckmantel als Weltverbesserer ein. Sollen froh sein, dass sie unserem liberalen Staat noch frei rumlaufen dürfen.
Hans
Gast
Jetzt aber mal ganz ehrlich:
Schuld eigen, wenn man solchen Inhalt auf seine Seite stellt.