AfD-Verbot als Kapitulation: Es braucht die geistige Wende

Die AfD verbieten zu wollen, bedeutet, politisch vor ihr zu kapitulieren. Nur durch gute Politik und klare Kommunikation kann sie besiegt werden.

Menschen stehen dicht gedrängt während einer Protestaktion gegen die AfD - jemand hält ein Schild hoch: AfD Verboten JETZT prüfen

Protestaktion in Berlin Anfang Februar gegen die AfD. Aber ist das die richtige Strategie gegen die Partei? Foto: Stefan Boness

Selbst die radikale französische Rechtspopulistin Marine Le Pen distanziert sich von der AfD. Zu schockierend waren die Veröffentlichungen über ein geheimes Treffen von Rechtsextremen und Vertretern der Partei, bei dem über die Deportation von Staatsbürgern diskutiert wurde.

Seither gehen wöchentlich zehntausende Menschen auf die Straße, um für die offene Gesellschaft, Rechtsstaat und Demokratie zu demonstrieren. Denn die AfD bedroht all das. Immer mehr Menschen haben das erkannt und fordern harte Konsequenzen im Kampf gegen den Rechtsextremismus.

Eine viel diskutierte Maßnahme ist es, die AfD als politische Partei zu verbieten. Was nach einer einfachen Lösung für ein großes Problem klingt, offenbart sich jedoch aus juristischer Perspektive als schwierig und aus politischer Perspektive als fragwürdig.

Denn die Hürden für ein Parteiverbot sind sehr hoch – und das zu Recht. Parteien nehmen eine besondere, verfassungsrechtlich normierte Stellung im demokratischen Staat ein, ihr offener Meinungswettstreit ist elementar für die offene Gesellschaft.

Rezept ohne Gelinggarantie

Das Parteiverbot ist ein Instrument der wehrhaften Demokratie und soll eine Lösung für Fälle bieten, in denen eine Partei klar verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. In der Geschichte der Bundesrepublik kann man nur auf wenige Erfahrungen mit diesem Verfahren zurückgreifen. Zwei Mal wurde es erfolgreich durchgeführt (SRP 1952 und KPD 1956), zwei Mal erfolglos (NPD 2003 und 2017). Es besteht also ein realistisches Risiko, zu scheitern, wenn man diesen Weg beschreitet.

Nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger die freiheitlich demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder beseitigen wollen, verfassungswidrig. Solche Parteien können vom Bundesverfassungsgericht verboten werden, wenn sie außerdem ein tatsächliches Potenzial zum Umsturz der bestehenden Ordnung haben. An Letzterem würde ein Verfahren gegen die AfD, anders als im Fall der NPD, wohl nicht scheitern.

Doch ob die AfD als Bundespartei tatsächlich und belegbar eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung darstellt, ist sehr schwierig nachzuweisen. Anders als beispielsweise bei der NPD sind ihre Grundsatz- und Wahlprogramme geschickt formuliert. Die Verfassungsfeindlichkeit müsste beispielsweise anhand von Äußerungen hochrangiger Parteifunktionäre begründet werden. Ein solcher Nachweis erfordert eine gut recherchierte und umfassende Materialsammlung. Ob diese Belege dem Bundesverfassungsgericht schließlich ausreichen, um ein Verbot auszusprechen, ist dennoch fraglich.

Verbot ist keine langfristige Lösung

Auch aus politischer Perspektive sollte ein Verbot der AfD nicht als Königsweg gepriesen werden. Denn was nach hartem Durchgreifen klingt, ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Es wirkt, als ob viele Politiker zu dem Ergebnis gekommen sind, dass sie die AfD mit herkömmlichen Mitteln im politischen Wettstreit nicht mehr schlagen können. Doch selbst wenn ein Verbotsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden könnte, böte dies keine langfristige Lösung. Zwar wäre die AfD als Organisation zerschlagen, das Denken in den Köpfen aber bliebe bestehen. Eine neue Parteigründung wäre nicht ausgeschlossen.

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Laut Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung weisen „nur“ acht Prozent der Bevölkerung tatsächlich extremistische Auffassungen auf. Die übrigen Sympathisanten der AfD sind enttäuscht, verunsichert oder wütend, haben aber die freiheitlich demokratische Grundordnung noch nicht abgeschrieben. Durch ein Verbot der Partei könnte man diese Leute verlieren. Zudem bestünde das Risiko, dass die AfD ihr Profil als angebliches Opfer des Establishments stärkt.

Die AfD muss inhaltlich gestellt werden

Wie also kann man der AfD und ihren Vertretern auf politischer Ebene begegnen? Was kann man ihrem Polarisieren, Radikalisieren und Desinformieren entgegenstellen? Wie so oft ist fehlende oder fehlgeleitete Kommunikation das Kernproblem. Schon frühere Bundesregierungen äußerten sich zu hochsensiblen Themen zu spät oder überließen die Kommunikation allein den Regierungssprechern. Das ermöglichte es der AfD, diese Themen frühzeitig mit destruktiven Narrativen zu besetzen. Olaf Scholz versuchte als Bundeskanzler zunächst, diesen Kurs fortzuführen, getreu der Annahme, Deutsche wollten von der Politik vor allem in Ruhe gelassen werden. Doch das war nie, wird nie und darf nie richtig sein.

Demokratiefreunde müssen hart, aber konstruktiv streiten – über die beste Politik in unsicheren Zeiten. Natürlich gibt es in Deutschland wie in jedem anderen Land Herausforderungen, die bei vielen Menschen Ängste hervorrufen. Gerade deshalb ist es so wichtig, von Anfang an klar und transparent zu kommunizieren. Gleitet die Diskussion zu einem Thema einmal ins Irrationale ab, ist es kaum noch möglich, sie mit sachlichen Argumenten zurückzugewinnen. Wenn Politiker die Narrative und Framings der AfD übernehmen, legitimieren sie deren Positionen.

Der AfD geht es nicht um kluge Lösungen, sondern um eine Schwächung der Demokratie. Davon müssen die AfD-Anhänger, die keine extremistischen Auffassungen haben, wieder überzeugt werden. Dies gelingt nicht durch ein Parteiverbot, sondern durch bessere politische Antworten. Nur wenn man die AfD inhaltlich stellt, kann sich in den Köpfen eine Wende vollziehen.

Die Regierungen und Parlamente in Bund und Ländern müssen Lösungen präsentieren, die für die Bürgerinnen und Bürger verständlich und nachvollziehbar sind. Und die bislang schweigende Mehrheit der Demokratiefreunde muss noch sichtbarer werden, sich politisch engagieren, auf die Straße gehen und aufzeigen, was die Politik der AfD bedeuten würde. Denn langfristig ist die Demokratie nur so wehrhaft, wie es ihre Demokratinnen und Demokraten sind.

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ist Bundes­justizministerin a. D. und aktuell stellvertretende Vorsitzende der Friedrich-Naumann-­Stiftung

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