Reaktionen auf Trumps Nato-Aussage: Übers Stöckchen gesprungen

Die Aufregung über die Warnung des ehemaligen US-Präsidenten Trump an Nato-Mitglieder ist fehl am Platz. Der Nuklearschirm der USA wird nicht angetastet.

Ein Bundeswehr-Aufklärungsflugzeug vom Typ Tornado rollt auf der Startbahn.

Hier lagern Atombomben: ein Bundeswehr-Tornado auf der Startbahn des Fliegerhorsts Büchel in der Eifel Foto: Harald Tittel/dpa

Was ist nur in die europäischen Politiker gefahren? Da wirft ihnen Donald Trump ein Stöckchen hin, und alle springen drüber. Dabei ist das Stöckchen schon einige Jahre alt. Was Trump bei seinem Wahlkampfauftritt in South Carolina über die Nato und die angeblich säumigen Europäer erzählt hat, war keine Ankündigung, sondern eine schmutzige Anekdote aus seiner ersten Amtszeit. Mit Atomwaffen hatte diese dumme Erzählung nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Vielmehr ging es um Trumps Obsession von einer imaginären „Rechnung“, die die Europäer zahlen müssten („pay the bill“) – ein altes, irreführendes und mittlerweile erledigtes Thema, wie die jüngsten Zahlen der Nato zeigen. Deutschland hat massiv aufgerüstet, die meisten anderen Alliierten auch. Dennoch fantasieren Politiker und Politikerinnen eine katastrophale Lage herbei, in der sich Europa mit eigenen Atomwaffen vor Russland schützen muss, weil der Nuklearschirm der USA nicht hält.

Geht’s noch? Von der atomaren Abschreckung hat Trump überhaupt nicht geredet, und die sogenannte nukleare Teilhabe der Europäer in der Nato steht auch nicht infrage. Zudem gibt es bisher keine Anzeichen dafür, dass die Abschreckung nicht funktioniert. Was allerdings nicht funktioniert, ist die Strategie des Westens in der Ukraine, wie die gescheiterte Gegenoffensive im vergangenen Jahr gezeigt hat. Die aktuellen Nato-Beratungen konzentrieren sich denn auch auf die Ukraine.

Trump und die Nuklearstrategie sind nur lästige Nebenkriegsschauplätze. Was also treibt Manfred Weber, Katarina Barley und Christian Lindner dazu, jetzt über eine europäische Atombombe zu reden? Ist es der Versuch, von den wachsenden Problemen in der Ukraine abzulenken? Oder geht es doch irgendwie um Trump und die Angst vor einem unberechenbaren Amerika? Klar ist nur, dass die betroffenen Politiker und Politikerinnen weder sich selbst noch der Sache einen Gefallen tun.

Fehlende Strategie für die Ukraine

Deutschland hat den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, die SPD hat bei ihrer Wahl atomare Abrüstung in Europa versprochen. Wer jetzt über eine deutsche oder europäische Bombe schwadroniert, bricht das Recht und verspielt Vertrauen. Seriöse Sicherheitspolitiker sollten nicht über Trumps Stöckchen springen oder Endzeitfantasien entwickeln – sondern sagen, wie es weitergeht.

Doch dazu schweigen sich die Verantwortlichen aus. Deutschland und die EU haben keine Strategie für den zunehmend hoffnungslosen Krieg in der Ukraine und keinen Plan für den Umgang mit der wankenden Weltmacht USA. Das sollte uns mehr Sorgen machen als irgendwelche Wahlkampfsprüche von Donald Trump.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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