Sexualisierte Gewalt in Kulturbranche: Der größte #MeToo-Fall Deutschlands

Berichte über einen mutmaßlichen MeToo-Fall in der Musikwelt häufen sich. Auch unsere Kolumnistin greift das Thema nochmals auf - aus guten Gründen.

Bühnenbeleuchtung

Die Entertainmentbranche ist für Machtmissbrauch besonders anfällig Foto: Seeliger/imago

Normalerweise greife ich in dieser Kolumne das Thema der vorherigen nicht noch mal auf, sondern schreibe über ein anderes Ereignis, einen anderen Promi. Ich habe mir auch für diesen Text mehrere Dinge überlegt, die von Interesse sein könnten. Aber ganz ehrlich: Das wirkt gerade sehr banal.

Denn wir befinden uns mitten im größten und hoffentlich weitreichendsten #MeToo-Fall, den Deutschland je erlebt hat. (In dem bis zu dem Zeitpunkt bekanntesten Fall sexualisierter Gewalt hierzulande wurde der Strafprozess wegen des Todes des Angeklagten ohne Urteilssprechung eingestellt.)

Wenig überraschend passiert beides in der Entertainmentbranche, zuerst im Film-, nun im Musikbusiness. Während sexualisierte Gewalt und massiver Machtmissbrauch in jedem erdenklichen Bereich ausgeübt werden, ist die Entertainmentindustrie außerordentlich anfällig dafür, weil die Hierarchie zwischen reichem, mächtigem Star und unbekannterer Angestellten oder gar Fan, der diesen Star schon seit Jahren verehrt, besonders groß ist.

Die Ausmaße sind nun so viel krasser, als die meisten geahnt hätten, und werden jeden Tag mehr. Deswegen flacht dieser anders als viele andere Skandale mit der Zeit nicht ab, was wirklich wichtig ist. Was die mutigen Frauen, die sich mit ihren Erfahrungen melden, aber auch die Jour­na­list*in­nen, die darüber berichten, jetzt am besten schützt, ist öffentliches Interesse.

Weitere Zusammenhänge werden deutlich

Das Interesse daran wird auch deswegen nicht weniger, weil Tag für Tag neue erschreckende Details ans Licht kommen und ein breit gefächertes System an Machtmissbrauch, sexualisierter Gewalt, Drogenverabreichung und an Menschen, die mindestens davon wussten, wenn nicht sogar mithalfen, aufgedeckt wird. Mutmaßlich natürlich – bis zu diesem Zeitpunkt, da ich diese Zeilen verfasse, ist keine Anklage erhoben, geschweige denn ein Prozess angesetzt, eine Verurteilung ausgesprochen worden.

Die Causa ist zu groß, um heute über etwas anderes zu schreiben. Was ich mir neben dem Offensichtlichen wünsche (Gerechtigkeit für die Frauen, zumindest so gut es überhaupt geht, Konsequenzen für den oder die Täter und alle Mithelfenden und dass das ganze System implodiert), ist noch etwas anderes: Es werden weitere Zusammenhänge deutlich. So hat die Frau, die Fans für den Sänger rekrutiert haben soll, früher Frauen ausgewählt für einen anderen Schockrocker, der unter anderem der Vergewaltigung bezichtigt wird.

Und dieser Schockrocker wiederum ist sehr gut befreundet mit einem Schauspieler, der vergangenes Jahr gegen seine Ex-Frau gerichtlich vorging, die ihm ebenfalls Gewalttaten vorwarf. Damals haben sehr viele Menschen, einige davon bezeichnen sich als Feministinnen, den Schauspieler verteidigt und die Ex-Frau aufs Übelste durch den Dreck gezogen. Für sie wäre es Zeit für eine Neubewertung der Situation. Die Verbindungen sind offensichtlich.

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... arbeitet als freie Journalistin mit Schwerpunkt auf Kultur und Gesellschaft für diverse Medien und macht auch sonst allerhand Jux und Tollerei mit dem geschriebenen Wort. Frankfurt/Barcelona

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