Krise in Endlosschleife

In Bulgarien verlässt die Partei des Showmasters Trifonow die Regierungskoalition.Ihr missfällt der Annäherungskurs des Premiers Petkow gegenüber Nordmazedonien

Premier Kiril Petkow am 4. Mai im Parlament in Sofia nach einer Debatte über Hilfen für die Ukraine. Schon damals gab es in der Regierungskoalition Unstimmig­keiten Foto: Valentina Petrova/ap

Von Barbara Oertel

Nach nur sechs Monaten im Amt ist die prowestliche Vier-Parteien-Koalition unter Kiril Petkow am Mittwochabend geplatzt. Die populistische Partei So ein Volk gibt es (ITN) des Entertainers Slawi Trifonow zog ihre vier Mi­nis­te­r*in­nen aus dem Kabinett zurück. Jetzt will Petkow, Co-Chef der stärksten Parlamentsfraktion Wir setzen den Wandel fort (PP), mit einer Minderheitsregierung weitermachen. Um Mehrheiten bilden zu können, braucht er aber vier zusätzliche Stimmen.

Trifonows Rückzieher kommt für den Balkanstaat zur Unzeit. „Die bulgarische Gesellschaft ist nicht reif für Wahlen und eine neue Regierung“, sagte Parwan Simeonow, Politologe bei Gallup, gegenüber dem bulgarischen Fernsehen. Angesichts des Kriegs in der Ukraine und der globalen Inflation brauche Bulgarien Ruhe.

Doch mit solchen Überlegungen hält sich Trifonow nicht lange auf. Zur Begründung für seinen Coup nannte er Petkows Pläne, Sofias Blockade gegen den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit dem Nachbarn Nordmazdonien fallen zu lassen. Das Veto war 2020 unter dem Ex-Regierungschef Bojko Borissow ausgesprochen worden. Dabei geht es um historische Streitigkeiten. Skopje soll anerkennen, dass die mazedonische Sprache bulgarischen Ursprungs ist und es in Nordmazedonien eine bulgarische, benachteiligte Minderheit gibt. Gleichzeitig will Bulgarien von einer nordmazedonischen Minderheit im eigenen Land nichts wissen.

Angeblich soll Petkow mit seiner außenpolitischen Beraterin geheime Gespräche mit der EU über eine Aufhebung des Vetos aufgenommen und dabei Außenministerin Theodora Genchowska, die Mitglied der ITN ist, übergangen haben. „Mazedonien ist ein wichtiger Teil unserer Geschichte und unserer Seele. Niemand hat das Recht, Entscheidungen für das bulgarische Volk im Alleingang zu treffen“, schrieb Trifonow am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite.

Trifonow warf seinem bisherigen Koalitionspartner PP außerdem vor, mit dem Staatshaushalt und EU-Mitteln nicht sorgsam umgegangen zu sein. Summen in Milliardenhöhe seien intransparent ausgegeben worden. Petkow verwahrte sich gegen diese Vorwürfe: „Wir haben versprochen, Bulgarien zu verändern, und wir werden Bulgarien verändern.“

Trifonows Partei ITN geht auf Massenproteste im Sommer 2020 zurück. Damals waren Zehntausende gegen Korruption und Vetternwirtschaft von Borissow und seiner GERB auf die Straßen gegangen. Bei der Parlamentswahl im Februar 2021 kam die ITN hinter der GERB auf Anhieb auf den zweiten Platz. Doch Koalitionsgespräche liefen ins Leere.

Bei Neuwahlen im Juli desselben Jahres machten die Wäh­le­r*in­nen die ITN zur stärksten Kraft, jedoch kam erneut keine Regierung zustande. Während der gesamten Zeit machte sich ITN-Parteichef Trifonow rar und kommunizierte mit seiner Fangemeinde allenfalls über Social-Media. Schon damals fühlten sich viele seiner Wäh­le­r*in­nen nicht ernst genommen.

„Die Bulgaren sind nicht reif für Wahlen und eine neue Regierung“

Parwan Simeonow, Politologe

Drei Monate später wurden die ermatteten Bul­ga­r*in­nen erneut an die Urnen gerufen. Dieses Mal machten Petkow und seine Getreuen, die in den Übergangsregierungen politische Erfahrungen gesammelt hatten, mit der neu gegründeten PP das Rennen. Kurz darauf stand die Regierung, der neben der PP und der ITN auch das liberale Bündnis Demokratisches Bulgarien (DB) sowie die Sozialisten (BSP) angehörten.

Doch die Spannungen innerhalb der Koalition, die von Anfang an eine Vernunftehe war, traten bald offen zutage. Ein Spaltpilz waren Waffenlieferungen an die Ukraine, die die Sozialisten, von jeher ob alter Seilschaften einer gewissen Nähe zu Russland nicht unverdächtig, ablehnen. Dennoch erklärten am Mittwoch neben dem Bündnis DB auch die Sozialisten ihre Bereitschaft, eine Minderheitsregierung zu stützen.

Dass das funktioniert, daran hat Daniel Smilow, Dozent an der Sofioter Universität und Programmdirektor beim Zen­trum für Liberale Strategien, so seine Zweifel. „Wir sprechen von einem Zeitraum bis zu vorgezogenen Wahlen im Herbst“, zitiert ihn das Portal mediapool.bg.

meinung + diskussion