Blankoscheck für Eileinsätze

PARLAMENT 2011 rettete die Bundeswehr in einer Geheimaktion Deutsche aus Libyen. Karlsruhe urteilt nun: Nachträgliche Zustimmung des Bundestags war nicht nötig

War in Ordnung: Szene der Libyen-Rettungsaktion von 2011 Foto: Andreas J./Bundeswehr/dpa

AUS KARLSRUHE Christian Rath

Der Bundestag muss geheimhaltungsbedürftige Hilfseinsätze der Bundeswehr nicht nachträglich genehmigen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Dienstag deshalb eine Verfassungsklage der Grünen ab.

Konkret ging es um einen Vorfall während des Aufstands gegen das Gaddafi-Regime in Libyen. Im Februar 2011 baten Deutsche, die in einer Ölanlage arbeiteten, um Hilfe. Die Bundeswehr evakuierte darauf mit zwei Transall-Maschinen 132 Personen, darunter 22 Deutsche.

Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1994 muss der Bundestag jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr zustimmen. Beim Lib­yen-Einsatz war die vorherige Zustimmung nicht möglich, da die Aktion aus Sicherheitsgründen geheim bleiben sollte. Bisher wurde in solchen Fällen die Zustimmung des Bundestags nachträglich eingeholt. Der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hielt den Einsatz jedoch nicht für zustimmungsbedürftig. Es sei eine reine „Rettungsaktion“ gewesen, „fernab jeder militärischer Auseinandersetzung“. Das sahen die Grünen anders und klagten in Karls­ruhe.

Im ersten Schritt erteilten die Richter der Bundesregierung eine klare Abfuhr. Auch Bundeswehreinsätze mit humanitärem Ziel seien grundsätzlich zustimmungsbedürftig. Entscheidend sei, ob die Soldaten dabei in „bewaffnete Auseinandersetzungen“ einbezogen werden können. Auch die Gefahr kleinerer militärischer Scharmützel genüge. Beim Einsatz während des libyschen Bürgerkriegs drohte nach Karlsruher Analyse eindeutig eine militärische Auseinandersetzung.

Karlsruhe kam der Bundesregierung aber an einem anderen Punkt weit entgegen. Bisher waren alle Fraktionen im Bundestag und selbst die Regierung davon ausgegangen, dass bei Eil­ein­sätzen der Bundeswehr der Bundestag nachträglich zustimmen muss, sobald dies möglich ist. Das Bundesverfassungsgericht hält dies aber nur dann für notwendig, solange noch Soldaten im Einsatz sind. Nur dann könne eine Verweigerung der Zustimmung dazu führen, dass die Soldaten zurückgeholt werden müssen.

Nur wenn Soldaten noch im Einsatz sind, brauche es einen Parlamentsbeschluss

Damit hat Karlsruhe für heimliche ­Kommandoaktionen der Bundeswehr den Parlamentsvorbehalt faktisch ausgehebelt. Denn solche Aktionen können naturgemäß nicht vorab diskutiert werden. Die neue Einschränkung gilt nicht nur für Hilfseinsätze, sondern auch für militärische Kommandos. Immer wenn die Bundeswehr schnell und geheim handelt, ist künftig keine Zustimmung des Bundestags mehr nötig.

Die Richter trösteten die Abgeordneten, sie könnten ja Resolutionen beschließen oder die Regierung stürzen, wenn sie mit einem Einsatz nicht einverstanden sind. Zumindest, so Karlsruhe, müssen künftig alle Abgeordneten nach einem solchen Militäreinsatz umfassend und schriftlich informiert werden.

Die Grünen waren mit dem Urteil dennoch nicht unzufrieden. „Eine generelle Aushöhlung des Parlamentsvorbehalts ist künftig ausgeschlossen“, sagte Fraktionsvize Frithjof Schmidt. Auch könnten Kampfeinsätze der Bundeswehr wegen der nun betonten Informationspflicht nicht dauerhaft geheim bleiben.