Abschied von der Vielfalt

Reform klingt immer gut. Beim Pressefusionsrecht geht sie aber nach hinten los. Jetzt auch Widerstand bei der SPD

AUS BERLIN STEFFEN GRIMBERG

WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach hat am Montag eine Art Heimspiel. Der ehemalige Kanzleramtsminister wird vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages versuchen, die Felle für seinen Parteifreund und Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) zu retten. Denn dem droht die Neufassung des Kartellrechts für die Presse endgültig um die Ohren zu fliegen.

Zur Anhörung hat der Ausschuss neben dem Geschäftsführer von Deutschlands größter Regionalzeitungsgruppe anderthalb Dutzend Experten geladen. Clements Entwurf ist innerhalb der Regierungskoalition höchst umstritten. Vor allem weite Teile der Grünen, darunter die wirtschafts- und medienpolitischen FraktionssprecherInnen, lehnen ihn offen ab. Auch in der SPD ist längst nicht jeder überzeugt. Denn die Gesetzesnovelle sieht vor, Kooperationen beim Anzeigengeschäft unbegrenzt zu erlauben. Auch komplette Fusionen müssten nur noch dann beim Kartellamt zur Prüfung angemeldet werden, wenn die Umsatzwerte der beteiligten Firmen 50 Millionen Euro (bisher: 25 Millionen) überstiegen. Unter bestimmten Umständen sind sogar marktbeherrschende Stellungen bis hin zum Monopol erlaubt – wenn zwar ein Titel verkauft, der Verkäufer aber als Minderheitspartner mit gesetzlich verbrieftem Einfluss beim neuen Unternehmen bleibt.

Vor allem diese Passage, deren praktische Umsetzung in der Branche als unmöglich angesehen wird, sorgt jetzt in der SPD für Zündstoff. Eine schlüssige Begründung für die „derart weitreichende Öffnung der Pressefusionskontrolle“ sei „derzeit nicht in Sicht“, so gestern der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner. „Wir werden deshalb nach sinnvollen Alternativen suchen.“

Kartellamtschef Ulf Böge sieht hier „Strohmanngeschäften“ Tür und Tor geöffnet. Union und FDP haben ohnehin schon Nein gesagt. Der Bundesrat erklärte Clements Pläne gar für „ordnungspolitisch bedenklich“: Zur Wahrung der Meinungsvielfalt sei das Ganze „nicht geeignet“.

Doch auch ohne Reform wird die Frage, zu welchem Blatt man greift, immer einfacher: Die Konzentration bei regionalen und lokalen Blättern nimmt seit Jahren zu. Heute sind über die Hälfte der Städte und Landkreise „Einzeitungskreise“, in denen die Bevölkerung keine Auswahl zwischen mehreren regionalen Titeln mehr hat. Besonders heftig verlief dieser Konzentrationsprozess in den frühen Siebzigern. 1976 wurde daher ein besonderes Kartellrecht für die Presse eingeführt, das diesen Prozess seitdem deutlich verlangsamen konnte.

Doch seit drei Jahren haben vor allem die großen Verlage wie Springer, WAZ und Holtzbrinck bei der Bundesregierung für eine Kartellreform in ihrem Sinne getrommelt – und schließlich Gehör gefunden. Clement hat sich ihre Argumentation zu Eigen gemacht: Viele Titel leiden weiterhin an der seit drei Jahren grassierenden Werbekrise. Nur durch die Möglichkeit der Zusammenarbeit ließe sich die Zeitungsvielfalt in Deutschland sichern. Clement: „Wenn wir weiter untätig bleiben, werden wir ein weiteres Aushöhlen der Pressefreiheit in den Zeitungshäusern erleben.“ Fusionen kämen nach dem neuen Gesetz auch nur dort zustande, wo Zeitungstitel und Unabhängigkeit der Redaktionen rechtlich gesichert seien.

Clement steht also weiterhin zu seinen Plänen. WAZ-Mann Hombach soll nun zweifelnde Grüne wie GenossInnen überzeugen: Schließlich ist die Idee, innerhalb eines Verlages mehrere Titel zu publizieren, die sich zumindest teilweise gegenseitig Konkurrenz machen, nichts anderes als das WAZ-Modell. Und das kennt Clement ziemlich gut: Von Dezember 1973 bis Februar 1981 war er schließlich stellvertretender Chefredakteur bei der zum WAZ-Konzern gehörenden Westfälischen Rundschau.