USA nach dem Schuldenstreit: Das hat er nicht gewollt

Ein Ergebnis der Schuldendebatte steht fest: Der politische Diskurs ist nach rechts gerückt. Und der kommende Kampf ums Amt des Präsidenten wird hässlicher denn je.

Not very amused: Präsident Barack Obama muss tiefe Einschnitte ins Sozialbudget hinnehmen, damit die USA zahlungsfähig bleibt. Bild: dapd

WASHINGTON taz | Weißer Rauch über Washington: Eineinhalb Tage vor Ablauf der Deadline haben sich in der Nacht zu Montag die Spitzenpolitiker der demokratischen und republikanischen Fraktionen im Kongress sowie der US-Präsident auf ein Abkommen geeinigt. Das Abkommen wird die drohende Zahlungsunfähigkeit der USA vermeiden. Immer vorausgesetzt, dass bei den Abstimmungen im Senat und im Repräsentantenhaus die nötigen Mehrheiten zustande kommen.

"Es ist nicht der Deal, den ich gewollt hätte", gibt Barack Obama unumwunden zu - "aber es senkt das Defizit und es wird eine Zahlungsunfähigkeit vermeiden". Der Präsident hatte die Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen bereits auf weitgehende und empfindliche Einschnitte eingestimmt.

Tatsächlich ist von seinen ursprünglichen Vorhaben einer Politik der sozial ausgleichenden Gerechtigkeit nur wenig übrig geblieben. Die Steuersenkungen für Spitzenverdiener, die dereinst Präsident George W. Bush durchgesetzt hatte und die unter Bush noch als Übergangsregelung angelegt waren, bekommen nun definitiven Charakter. Spitzenverdiener, die ohnehin von Niedrigsteuern profitieren, werden nicht zusätzlich belangt.

Der Militärhaushalt - der 50 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben beinhaltet - wird nur um 350 Milliarden Dollar gesenkt. Und der kompakte "Rest" der Einsparungen, die das Ziel haben, den US-Staatshaushalt zu sanieren, stammt aus Programmen, die vor allem sozial Schwachen zugutekommen. Dieser tiefe Schnitt von mehr als 550 Milliarden Dollar betrifft Ausgaben von Studienstipendien bis zu sozialen Beihilfen.

Obama als der radikalste Kürzer

Mit dem Kompromisspaket wird Obama in die Geschichte der USA als jener Präsident eingehen, der die Staatsausgaben am radikalsten gekürzt hat. Beifall bekommt er dafür vor allem von Politikern aus der Mitte. Am linken und rechten Rand beider Parteien im Kongress herrschen indes Verunsicherung und Verbitterung. Der Präsidentschaftskandidatin der Tea Party, Michele Bachmann, gehen die Einsparungen nicht tief genug. Sie will überhaupt keiner Erhöhung der Schuldengrenze zustimmen. Für progressive Demokraten im Kongress, wie den Abgeordneten Raul Grijalva aus Arizona, lautet das bittere Fazit: "Wir haben viel gegeben und nichts bekommen."

Der Streit über die Anhebung der Schuldengrenze hat die traditionellen politischen Gräben und Allianzen in Washington radikal verändert und nach rechts verschoben. Hauptgewinner des wochenlangen amerikanischen Roulettes sind die neuen Abgeordneten der rechten Tea-Party-Bewegung. Sie haben es zwar nicht geschafft, eine Anhebung der Schuldengrenze komplett zu verhindern.

Aber sie haben ihre Slogans von der Straße und vom Halbzeitwahlkampf im vergangenen Herbst an die Spitze der US-Politik gehievt: "Kleiner Staat - wenig Steuern". Sie haben erreicht, dass sogar ein neuer Verfassungszusatz in greifbare Nähe gerückt ist: Er schreibt einen ausgeglichenen Haushalt vor. Dank ihrer Sperrminorität im Repräsentantenhaus konnten die Tea-Party-Abgeordneten auch die traditionelle Spitze der Republikaner vor sich hertreiben.

Harte Machtproben bei den Republikanern

Für die republikanische Partei und ihre interne Kandidatenkür für die nächsten Präsidentschaftswahlen kündigt dieser Konflikt harte interne Machtproben an. In der Schuldendebatte wurden die gemäßigten Stimmen bei den Republikanern an den Rand gedrängt. Zugleich sind Kongressabgeordnete wie der Tea-Partier Allen West aus Florida, der noch vor Wochen als indiskutabel weit rechts galt, spürbar in die neue Mitte des politischen Spektrums gerückt. Für das Land insgesamt kündigen die Brutalisierung des Tons und die Schärfe der neuen Sozialpolitik einen Präsidentschaftswahlkampf an, der hässlicher werden wird als alles, was die USA bislang erlebt haben.

Barack Obama segelte einst auf der euphorischen Welle von "Yes, we can". In diesem Frühling wirkte er - nach der Tötung von Erzfeind Osama bin Laden - erstmals auch militärisch als starker Mann. Doch am vorläufigen Ende dieses Schuldenstreits bleibt der Eindruck eines Präsidenten mit extrem eng gesteckten Grenzen.

Dafür hat nicht allein die US-Verfassung gesorgt, die dem Repräsentantenhaus weitgehende Vetorechte gibt. Sondern auch der persönliche Stil von Barack Obama selbst: Er wollte den öffentlichen Konflikt mit den Republikanern vermeiden. Und hat monatelang hinter verschlossenen Türen verhandelt. Jetzt fühlt sich seine Basis vor den Kopf gestoßen. In linken Internetforen in den USA ist bereits von einer "langsamen Kapitulation" die Rede. Und davon, dass der "ausgeglichene" Deal die Ärmsten ärmer und die Reichsten reicher machen wird.

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