Stresstest zu Stuttgart 21: Eine Frage der Qualität

Baden-Württembergs Regierung gibt sich einig: Sie werde den Stresstest für Stuttgart 21 akzeptieren. In Wahrheit sind die Koalitionäre aber uneins.

Vorgetäuschte Einigkeit in Stuttgart: Nils Schmid (l.) und Winfried Kretschmann. Bild: dpa

STUTTGART taz | Am Tag 1, nach dem bekannt geworden ist, dass der Stresstest für das Milliardenprojekt Stuttgart 21 positiv ausgefallen ist, hätte Baden-Württembergs Vize-Regierungschef Nils Schmid (SPD) am liebsten alle Zweifel am Zusammenhalt der grün-roten Landesregierung ausgeräumt. Es gebe "totale Einigkeit", so erklärte er. Nur: Überzeugend war das nicht.

Denn Einigkeit gibt es bei den grün-roten Koalitionären in punkto Bahnhof nun nur noch in einem: Beide wollen eine Volksabstimmung zu der Frage, ob der Bahnhof unter die Erde verlegt werden soll. Ansonsten geht nun der politische Stresstest richtig los.

Solange der Stresstest noch lief, konnten sich Grüne, die das Bahnprojekt stoppen wollen und Sozialdemokraten, die es im Grunde unterstützen, wenigstens gemeinsam für einen zwischenzeitlichen Baustopp einsetzen. Jetzt müssen sie die Ergebnisse des Stresstests inhaltlich bewerten und auslegen. Und das fällt ihnen so leicht nicht.

Mit dem Stresstest sollte die Deutsche Bahn nachweisen, dass der neue Durchgangsbahnhof 30 Prozent mehr Züge abwickeln kann als der jetzige Kopfbahnhof. Die Schweizer Firma SMA hatte am Donnerstag bestätigt, dass der Stresstest bestanden worden sei.

Ministerpräsident gerät mehr und mehr unter Druck

Am selben Tag gab die Landesregierung zunächst keinerlei Stellungnahmen ab. Stattdessen schickte sie die Fraktionsvorsitzenden vor, um die Presse zu füttern. Am Donnerstagabend hatte dann der Koalitionsausschuss getagt. Am Freitag schließlich traten die beiden Regierungschefs vor die Kameras, Winfried Kretschmann (Grüne) Seit an Seit mit seinem Vize Nils Schmid (SPD). Oberflächlich lautete ihre Nachricht: "Die baden-württembergische Landesregierung akzeptiert die Bewertung des Stresstests."

Doch dann machte Kretschmann deutlich, dass der Stresstest lediglich die "Betriebsqualität" geprüft habe. Und dass die Koalitionspartner bei der Bewertung genau dieser Qualität unterschiedlicher Auffassung seien. "Die SPD hält die von SMA attestierte wirtschaftlich optimale Betriebsqualität für angemessen - Kosten und Nutzen stehen für sie in einem guten Verhältnis", sagte Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid.

"Die Grünen", so Kretschmann, "halten das Qualitätsmerkmal Premium für erforderlich, um eine für den Kunden optimale Betriebsqualität zu gewährleisten. Dieses Merkmal konnte nicht attestiert werden." Aus Grünen-Sicht sei der Stresstest deshalb nur in quantitativer Hinsicht bestanden, nicht in qualitativer. Kretschmann ist in Erklärungsnot.

Von Seiten der Projektbefürworter wird er zunehmend gedrängt, jetzt zur Befriedung der Situation beizutragen und zu akzeptieren, dass S21 gebaut wird.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) warnte Kretschmann vor einer Blockade: Wer vertragsbrüchig werde, müsse gegebenenfalls Schadenersatz zahlen.

Doch Kretschmann würde seine Anhängerschaft schwer enttäuschen, wenn er jetzt klein bei gibt. Die Frage ist, wie lange der grüne Ministerpräsident und seine Leute noch durchhalten können. Am Wochenende trifft sich das Kabinett zunächst einmal zu einer Klausurtagung am Bodensee.

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