Standort-Frage: Hapag vor der Havarie

Die drohende Zerschlagung der Staatsreederei Hapag-Lloyd wird ein Fall für die Hamburgische Bürgerschaft. CDU und Grüne verlangen Aufklärung.

Nicht schön für den Hamburger Senat: das Hapag-Lloyd-Konsortium ist in aller Stille aufgelöst worden. Bild: dpa

HAMBURG taz | Einsicht in die Akten des Hapag-Lloyd-Konsortiums Albert Ballin fordert die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft. Das kündigte ihr Haushaltsexperte Roland Heintze am Donnerstag an. Das Parlament solle erfahren, warum das Konsortium vorzeitig und in aller Stille aufgelöst worden sei und welche Konsequenzen das für die Reederei und den Hafenstandort Hamburg habe, sagt Heintze: „Der Senat duckt sich weg. Das erweckt den Eindruck, er habe etwas zu vertuschen.“

Am Montag hatte die taz.nord aufgedeckt, dass das Konsortium zum 30. September notariell aufgelöst worden ist. In diesem Bündnis hatten seit 2008 die Stadt Hamburg, der Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne sowie je zwei Banken und Versicherungen ihre Anteile an der fünftgrößten Containerreederei der Welt gebündelt. Zusammen halten sie 78 Prozent an Hapag-Lloyd, größte Einzeleigner sind Hamburg mit 36,9 und Kühne mit 28,2 Prozent. Sie alle sind jetzt frei, ihre Anteile zu veräußern. Damit droht die Havarie von Hapag-Lloyd.

Dabei war das Konsortium 2008 eigens gegründet worden, um eine feindliche Übernahme der größten deutschen Reederei durch den Konkurrenten Neptun Orient Lines (NOL) aus Singapur zu verhindern. Im vorigen Jahr stockten Hamburg und Kühne ihre Anteile weiter auf. Insgesamt hat Hamburg 1,145 Milliarden Euro an den früheren Alleineigentümer Tui gezahlt. Der hannoversche Touristikkonzern hält noch 22 Prozent an Hapag-Lloyd, die er im kommenden Jahr erklärtermaßen verkaufen will .

Das Recht auf Aktenvorlage ist laut Geschäftsordnung der Bürgerschaft ein Minderheitenrecht.

Quorum: Ein Fünftel der 121 Abgeordneten, also 25. Die CDU allein hat 28 Abgeordnete.

Geheimhaltung: Die Einsicht in die Unterlagen ist Abgeordneten und deren Mitarbeitern vorbehalten. Sie kann an Schweigepflichten gekoppelt werden.

Ablehnung: Der Senat kann eine Aktenvorlage ablehnen, wenn dem das Staatswohl entgegenstünde.

Beispiel: Bei der Elbphilharmonie lehnte der Senat im Januar die von der gesamten Opposition verlangte Akteneinsicht während der laufenden Verhandlungen mit dem Baukonzern Hochtief ab. Erst nach deren Abschluss legte er im April die Unterlagen vor.

Heintze will nun wissen, wer von der Auflösung des Konsortiums einen Vorteil habe, die Stadt könne es kaum sein: „Das ist kein normaler Vorgang, das macht misstrauisch.“ Die Finanzbehörde, die die städtischen Beteiligungen verwaltet, hatte lediglich erklärt, das Konstrukt sei „nicht mehr notwendig, um Hamburgs strategische Interessen zu wahren“. Welche das sind und wie sie ohne das Bündnis verfolgt werden sollten, sagte sie nicht.

„Hapag-Lloyd darf nicht in die falschen Hände geraten und Opfer eines globalen Monopoly werden“, hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am 29. Februar 2012 in seiner Regierungserklärung vor der Bürgerschaft gemahnt. Es gehe darum, Reederei, Arbeitsplätze und Güterumschlag in Hamburg zu behalten, und den drohenden Verkauf der Mehrheit an NOL zu verhindern. Das Geschäft sei ohne großes Risiko, versicherte Scholz. „In einem überschaubaren Zeitraum“ sollten die Anteile wieder „an seriöse Partner“ ohne Verluste verkauft werden: „Wir wollen unser Geld zurück.“ Hingegen hatte die schwarz-grün-gelbe Jamaika-Opposition übereinstimmend vor dem „Spekulieren mit Steuergeld“ gewarnt.

Sollten nun aber nicht nur Tui, sondern auch Kühne sich von der Reederei trennen wollen, stünden 50,2 Prozent zum Verkauf. Hamburg könnte das nicht verhindern und müsste zudem Verluste hinnehmen. Sie dürfte kaum einen seriösen Partner finden, der in der anhaltenden globalen Schifffahrtskrise über eine Milliarde Euro für einen Minderheitenanteil zahlt.

Die Grünen wollen die für Montag erwartete Senatsantwort auf ihre Kleine Anfrage zum Thema abwarten. Wenn die Antworten dürftig seien, wollen sie ebenso wie die Linksfraktion das CDU-Verlangen nach Akteneinsicht unterstützen.

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