Reaktion auf Ärztemangel: Geht doch auch mit Dreier-Abi
Der Patientenbeauftragte fordert von den Ländern mehr Studienplätze für Medizin. Die Unis sollten zudem nicht nur Einser-Abiturienten eine Chance geben.
BERLIN afp | Der designierte Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), hat die Bundesländer aufgefordert, mehr Medizin-Studienplätze zur Verfügung zu stellen und damit dem Ärztemangel entgegenzuwirken. „Das Grundproblem ist, dass zu wenig Ärzte ausgebildet werden“, sagte Laumann der Welt. „Die Länder müssen mehr Studienplätze bereitstellen.“ Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) begrüßte Laumanns Initiative ausdrücklich.
Laumann verwies darauf, dass der Bedarf an Haus- und Fachärzten immer weiter gestiegen sei, weil etwa durch die EU-Arbeitszeitrichtlinie die Zahl der Überstunden pro Arzt begrenzt wurde. Deshalb müssten so schnell wie möglich neue Modelle für Gemeinschaftspraxen erprobt und mehr Studienplätze zur Verfügung gestellt werden. „Und die Universitäten dürfen nicht nur auf Einser-Abiturienten setzen, sondern auch auf andere Abiturienten, die sich für den Hausarztberuf begeistern können“, sagte der CDU-Sozialpolitiker.
Hausärzte seien gerade für eine älter werdende Gesellschaft von besonderer Bedeutung, betonte Laumann. „Denn die einzelnen Patienten auf dem Land sind genau wie die Pflegeheime auf hausärztliche Versorgung angewiesen.“
Der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, sagte am Samstag: „Es ist gut, dass Herr Laumann dieses wichtige Thema anspricht, denn das Nachwuchsproblem bei den Hausärzten muss jetzt angegangen werden, damit wir in Zukunft keinen Hausärztemangel bekommen.“ Die von Ärztevertretern gerne genannte Zahl der leerstehenden Hausarztpraxen dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, „dass wir noch nie so viele hausärztlich tätige Mediziner hatten wie heute“.
2600 Hausarztpraxen fehlen
Mit Blick auf die von Laumann angesprochenen Modelle für Gemeinschaftspraxen sagte Lanz: „Wir müssen uns schon fragen, ob in Zeiten der Zusammenarbeit und der immer stärkeren Arbeitsteilung auch bei Medizinern die Einzelarztpraxis überhaupt noch zeitgemäß ist.“
Nach Angaben der Welt fehlen bundesweit vor allem auf dem Land rund 2600 Hausarztpraxen sowie etwa 2000 Facharztpraxen - gemessen an der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung. Die Zahlen stammen demnach aus einer Untersuchung der KBV vom August. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 52.000 Hausarztpraxen und etwa 66.400 Facharztpraxen, davon fast 22.000 psychotherapeutische Praxen.
Leser*innenkommentare
friedbert
Gast
Ob ein Mensch ein guter Arzt (m/w) wird, hängt davon ab, ob und
wie gut die Person das Medizinstudium abschließt.
Dann entscheidet nicht zuletzt auch die Güte der Facharztausbildung über die Güte des Arztes. Da kann der Abi-Schnitt auch noch so rekordverdächtig sein, wenn die Facharztausbildung ein ungenügendes Improvisatorium ist, kann die Person kaum zeitlich effizient
hervorragendes Niveau erreichen und wird es vielfach auch niemals erreichen!
Der Abi-Fetischismus dient letzlich nur dazu Menschen in wertvoll und weniger wertvoll zu trennen. Die Judenrampe von Auschwitz läßt grüßen!
Ein gutes Abi zu haben kann nicht der Sinn des Lebens sein.
LehrerInnen sind zur Lehre da und nicht zu SchicksalsgöttInnen
berufen. Außerdem ist das subjektiv empfundene Fluidum entscheidend.
Man müßte endlich die Kosten für das Medizinstudium senken, in dem man die Hälfte der Vorlesungen als Fernstudium absolvierbar macht und danach mit den Laboratoriumsbetrieb und Präsenzbetrieb anfängt.
Und man sollte endlich fein säuberlich zwischen den Forschungskosten/Patientenkosten/ Infrastrukturkosten für das Krankenhaus/ Infrastrukturkosten für die reinen Lehrräume und den reinen Ausbildungskosten für die StudentInnenschaft unterscheiden. Dann können die Kosten gar nicht so hoch sein
zumal die ProfessorInnen ja auch gut von ihren Gehalt als KlinikchefärztInnen versorgt sein müßten. Hunderte Milliardenwerte
stehen auf dem Spiel, wenn die Dörfer ihre Schulen und medizinischen Einrichtungen verlieren, außerdem fehlt es dann auch an der Möglichkeit
neue Wirtschaftsbranchen und intelligente Menschen anzusiedeln. Das Fluidum entscheidet! Also Notenprollerei sollte passé sein!
Andreas Urstadt
Gast
ps
fehlen in anderen Laendern Aerzte, werden Einwandererplaetze fuer Aerzte frei
man kommt hier auf gar nichts
Andreas Urstadt
Gast
Privatpraxen auf dem Land sind teuer, der Staat kann Geld dazu geben, in der freien Wirtschaft tut er s ganz kraeftig, auch mit Beguenstigungen. Man koennte auf dem Land auch die Steuern fuer Aerzte kraeftig senken.
Die Politik ist alles andere als kreativ.
Mann kann ueberall, wo Aerzte fehlen als temporaeren Ersatz Gesundheitsstationen aufbauen, die auch von geeigneten Krankenschwestern/pflegern gefuehrt werden koennen und die ueber den Weg in der Praxis auch Aerzte werden koennten durch Lehrgaenge usw (ergo gleitend), was natuerlich mehr Pluralitaet waere im normsuechtigen Missmanagement. Es waere fast wie in Afrika. Es wuerde ggf auch einen Arzt geben, der fuer mehrere Stationen zustaendig waere und nur die schwereren Faelle sieht. Bis sich die Situation aendert und mehr Aerzte da sind. Sowas organisiert man eigentlich sofort. Vom Kreis bis zum Bundespolitiker hat man s mit Flaschen zu tun. Dass Lebensqualitaet fehlt, schnallen die nicht, auch die think tanks fallen durch Nichtsbeitragen auf.
arunto
Wenn Politiker auf dem Land in die Kassenpraxis gehen müssten, würde der Vorschlag sehr, sehr schnell umgesetzt, vermute ich.
Da es für Privatpatienten (Abgeordnete und Ministerialbeamte) in Berlin oder irgendeiner Landeshauptstadt jedoch keinen signifikanten Ärztemangel gibt, bin ich hinsichtlich der Umsetzung skeptisch.
Ursula
Gast
Dann sollte sich Herr Laumann aber verpflichten, auch zu Ärzten mit einem Dreierabi zu gehen.
Samuel
Gast
Dass nur Einser-Abiturienten Medizin studieren können stimmt nur auf den ersten Blick, wie Hanne schon anmerkte. Die Forderung Laumanns nach mehr Studienplätzen ist zunächst mal reiner Populismus. Wir haben nicht unbedingt das Problem zu wenige Absolventen des Medizinstudiums zu haben, sondern eine sinkende Attraktivität des Arztberufs insbesonder der Tätigkeit als Hausarzt auf dem Land.
Hier gilt es Anreize zu setzten.
Das in den Aussagen Laumanns mitschwingende Prinzip: "wenn wir genügend schlechten Abiturienten ein Medizinstudium ermöglichen, werden sich schon einige 'Dumme' finden, die aufs Land gehen" ist meines erachtens der falsche Ansatz.
guido-nrw
Man könnte den Unis ja Geld geben, um vernünftige Eignugstests (inklusive Pflege-Praktikum) zu machen, wer als Arzt/Ärztin geeignet und motiviert ist... der Abi-Schnitt ist dafür völlig ungeeignet.
Hanne
Die Möglichkeit auch mit einem Abi jenseits von 2,0 Medizin zu studieren gibt es doch schon, oder? Das werden doch auch meist die "besseren" Ärzte, weil sie recht lange auf ihren begehrten Studienplatz warten müssen und vorher das Leben und Arbeiten erkunden, was sich sicher positiv auf die Persönlichkeit und Motivation auswirkt (- natürlich nicht nur für angehende Mediziner ;-)).
ICH möchte definitiv nicht von 1,0-Abiturienten, die mit 23 Jahren anfangen in der Klinik zu arbeiten, behandelt werden!
Irrlicht
Gast
wohl wahr! ich erinnere mich an den medizinstudenten mit 1,0-abi in der wg, dem man (als geisteswissenschaftler, ahem) erklären mußte, weshalb es eine schlechte idee ist, mit nem messer im eingesteckten toaster rumzustochern... persönlich wär mir einer mit 3,irgendwas-abi, der wenigstens DAS kapiert, lieber als arzt, der mit medizinischen geräten umgehen muß...
naseweiser
Gast
Das Problem mit dem Weihnachtsmansbart : Auf dem platten Land fehlen Ärzte , in den Ballungsräumen treten sie sich auf die Füße .
Auch an die Reformierung der Arztausbildung traut die Politik sich seit anno tuk nicht recht ran .