Rassismus in der Fankurve: Niederträchtiger Spaß

Schon wieder haben Hansa-Rostock-Fans mit rechten Inszenierungen Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Man sollte sie ihnen nicht schenken.

Blick auf die Fankurve eines Fußballstadions, in der ein Banner gehalten wird, auf dem die Plattenbauten von Rostock-Lichtenhagen abgebildet sind

Fans der Rostocker Südkurve mit dem provozierenden Banner Foto: Voelker/Fotostand/Imago

Was für ein niederträchtiges Spektakel! Am Samstag vor der Partie der zweiten Fußball-Bundesliga gegen den FC St. Pauli wird in der Fankurve von Hansa Rostock ein riesiges, den ganzen Block überspannendes Transparent hochgezogen. Es zeigt das vielleicht bekannteste Plattenbauensemble Deutschlands. Zu erkennen ist es am Sonnen­blumenhaus. Das stand im Zentrum des rassistischen Pogroms im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen im August 1992. Damals hatten Neonazis unter Applaus Brandsätze und Steine auf Unterkünfte von Migranten geworfen, etliche von ihnen tätlich angegriffen und dabei fremdenfeindliche Parolen gerufen.

Dass es sich bei der Fanchoreografie um eine finstere Anspielung gehandelt hat, wird deutlich, als schwarze und orange Rauchtöpfe in der Kurve gezündet werden: Feuer im Sonnenblumenhaus.

Was für eine Verhöhnung der Opfer des Pogroms! „Plattenbau Rostock“ steht auf einem Transparent unter der großen Blockfahne. Die Botschaft könnte eindeutiger nicht sein. Sie ist getragen vom Stolz aus dem Stadtteil Rostocks zu kommen, in dem Rassisten einst Angst und Schrecken verbreitet haben. Was für ein niederträchtiger Spaß, den sich die Rostocker da erlaubt haben, um die verhassten Fans des FC St. Pauli zu provozieren!

Der Verein Hansa Rostock sieht kein Problem

Die Gesellen, die das angerichtet haben, dürften sich nach dem Spiel ins Fäustchen lachen. Im ganzen Land haben sie für Schlagzeilen gesorgt, konnten zusehen, wie überall über das Stöckchen gesprungen wurde, das man hochgehalten hat.

Natürlich ist es richtig, über das traurige Transparent zu berichten. Es ist Ausdruck jener Verschiebung des Sagbaren nach rechts, die in allen gesellschaftlichen Bereichen gerade zu beobachten ist.

Und es ist gewiss auch wichtig, die wohl inszenierte Ausredenstrategie darzustellen, die auch in diesem Fall dazu geführt hat, dass der Verein Hansa Rostock nichts, aber auch gar nichts Schlimmes am Auftritt der Fans unter der Fahne finden kann. „Plattenbau Rostock“ sei eine lange bekannte Fangruppierung, die ihr 13. Gründungsjubiläum mit der Choreo feiern habe wollen, meinte Robert Marien, der Vorstandschef von Hansa Rostock, im NDR und fügte an. „Den Rostockern und den Hansa-Fans zu unterstellen, mit den dunkelsten Kapiteln zu kokettieren, verbietet sich.“

Ja, was denn sonst? Das möchte man ihm zurufen und ihn noch einmal an das Transparent erinnern, das im August 2022 – genau 30 Jahre nach dem Progrom – beim Spiel gegen St. Pauli prominent in Richtung der bei vielen Rostockern als linke Zecken verschrienen Gästefans im Stadion angebracht worden war. „Lichtenhagen“ stand neben einer Sonnenblume drauf. Auch damals wollte der Klub kein Problem erkennen. Die Zaunfahne der Fans aus dem Stadtteil Lichtenhagen gebe es schon immer.

Es ist ein trauriges Ritual. Rechte Fans provozieren mit doppeldeutigen Botschaften und können sich darauf verlassen, dass ihr Verein immer nur den einen, den unproblematischen Teil der Botschaft sehen will. Und sie können sich darauf verlassen, dass mit der Empörung, die sie provozieren, ihre finstere Botschaft weiterverbreitet wird.

Ein trauriges Ritual: Rechte Fans provozieren – und mit der Empörung wird ihre finstere Botschaft verbreitet

Was dabei dann untergeht, ist die Haltung, mit der andere Fans ins Stadion gehen. Am Samstag, bei ebenjenem Spiel in Rostock, zeigte die aktive Fanszene des FC St. Pauli Spruchbänder zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. „Gewalt gegen Flinta ist ein Männerproblem“ war in der Kurve zu lesen und: „Männer müssen Teil der Lösung sein“. Auch die Parole der Frauen, die im Iran für ihre Rechte kämpfen, wurde hochgehalten: „Frauen, Liebe, Freiheit“. Es geht also auch anders.

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Am 22. August 1992 begannen die tagelangen Angriffe auf das Flüchtlingsheim in Rostock-Lichtenhagen. Für die taz berichtete damals die spätere Chefredakteurin Bascha Mika in drei Reportagen von vor Ort. Im ersten Text beschrieb sie, wie Tausende AnwohnerInnen ihre Leute anfeuerten: „Skins, haltet durch!“ Im Bericht vom zweiten Tag erzählt sie, dass sich die Polizei, kurz bevor der erste Brandsatz flog, zum Schichtwechsel zurückzog. In der dritten Reportage schrieb Bascha Mika über die hunderte Rechte, die immer noch zu den mittlerweile leeren Plattenbauten ziehen.

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