Quali zur Fußball-EM: Belarus bittet zum Spiel

Am Samstag trifft die Schweiz auf Belarus. Bislang ist das Regime in Minsk nur zu Geisterspielen an neutralem Ort verdonnert. Nun gibt es Proteste.

Gianluca Zambrotta bei der Auslosung zur EM-Quali in Frankfurt, Oktober 2022

Das große Los Belarus: Gianluca Zambrotta bei der Auslosung zur EM-Quali in Frankfurt, Oktober 2022 Foto: imago/Schüler

Ein Geisterspiel wird es. Das steht über die Begegnung Belarus – Schweiz schon fest. Am Samstag treffen die Fußballteams im Rahmen der Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 aufeinander: ohne Zuschauer und auf neutralem Platz. Den durfte Belarus bestimmen, und es wurde das serbische Novi Sad.

Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hatte der internationale Fußball Sanktionen verhängt. Russland ist von allen Spielen, die Uefa und Fifa ausrichten, verbannt. Belarus, das mit Russland verbündet ist, wird etwas softer sanktioniert: Zuschauerausschluss und neutraler Boden. Eine „Zwischenlösung“ nennt die Neue Zürcher Zeitung das.

In der Schweiz fordert eine Gruppe von 21 Politikern im Nationalrat Belarus’ Ausschluss von aus der EM-Qualifikation. Vor allem Sozialdemokraten, Grüne, Grünliberale und die christliche EVP tragen die Initiative, nicht aber die konservativeren Parteien.

Auch in Deutschland gibt es eine solche Petition von 46 Bundestagsabgeordneten der Grünen. Zu der Gruppe gehört auch Robin Wagener, Koordinator der Bundesregierung für Zentralasien, und mit der Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat sogar ein Kabinettsmitglied die Petition unterzeichnet.

Blick, Boulevardblatt aus der Schweiz

„Mehr politisches Konfliktpotenzial als in unserer Gruppe geht nicht!“

Auch im Europaparlament tat sich eine Gruppe von über 100 Abgeordneten zusammen, um Belarus auch sportpolitisch für seine Haltung und Aktivitäten im russischen Krieg zu bestrafen. Belarus’ Beteiligung an der EM-Qualifikation sei „eine Beleidigung für die Opfer der russischen Aggression in der Ukraine“.

„Schmeißt sie alle raus!“

Die Uefa hat auf alle Anfragen, wie sie zu den Forderungen der Politik steht, nicht reagiert. Als im Oktober 2022 die Auslosung der Qualifikationsgruppen anstand, hatte Uefa-Präsident Aleksander Čeferin der Sport-Bild gesagt: „Es ist ein bisschen populistisch zu fordern: ‚Schmeißt alle raus!‘ Aktuell sehen wir keinen Grund, das zu tun.“ Čeferin fügt noch hinzu: „Die Politik sollte unsere Entscheidungshoheit respektieren. Wie predigen Politikern und Regierungen auch nicht, was sie tun sollen.“

Zu dem, was die Uefa tut, gehören auch Geldtransfers. Nach „Sportschau“-Informationen erhält Belarus rund 6 Millionen Euro an sogenannten Solidaritätszahlungen aus dem Europapokal, zudem gehen sowohl an Belarus als auch an Russland je 2,4 Millionen Euro aus dem Finanzverteilprogramm der Uefa.

Diskussionen über Belarus’ Teilnahme am internationalen Fußball sind erstaunlicherweise erst ausgebrochen, als die Qualifikation für die EM begann, die 2024 in Deutschland ausgespielt wird. Beinah ohne internationales Echo spielt Belarus aber schon wesentlich länger in der Nations League der Uefa mit. Am ersten Spieltag im Juni 2022 traf dort EU-Mitglied Slowakei auf Belarus, gespielt wurde im serbischen Novi Sad, die Slowakei gewann 1:0.

Ansonsten sortieren sich Belarus’ Gegner seit Februar 2022 in Freundschafts- und auch in Nations-League-Spielen sehr deutlich entlang der politischen Linien: Indien, Bahrein, Aserbaidschan, Kasachstan, Syrien und Oman.

Belarus, Israel, Kosovo, Schweiz

Nun aber muss mit der Schweiz das nächste westlich ausgerichtete Land gegen Belarus antreten. Neben Belarus und der Schweiz finden sich noch diese Länder in der EM-Qualifikationsgruppe I: Andorra, Israel, Kosovo und Rumänien. „Mehr politisches Konfliktpotenzial als in unserer Gruppe geht nicht!“, schimpft der Blick.

Sieht man von dem Engagement der Menschenrechtsorganisation Libereco und von der politischen Initiative im Nationalrat ab, hält man in der Schweiz den Umstand, dass man gegen Belarus antritt, nicht für ein großes Problem. Dominique Blanc, Präsident des Fußballverbandes SFV, sagte der Boulevardzeitung Blick, auf Belarus treffe doch nicht zu, was Russland vorgeworfen wird.

Was in der Schweiz indes für Empörung sorgt, ist Novi Sad, der von Belarus vorgeschlagene „neutrale Austragungsort“ für das Qualifikationsspiel. „Angesichts der politischen Lage zwischen dem Kosovo und Serbien waren wir über den Entscheid der Uefa erstaunt“, sagt Adrian Arnold, Sprecher des SFV. Drei Schweizer Nationalspieler haben einen kosovo-albanischen Hintergrund: Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri und Ardon Ja­shari. Xhaka hatte bei der WM in Katar Serbien provoziert und für große Missstimmung gesorgt.

Auch dass die Nationalmannschaft des Kosovo, das kein Mitglied der UN-Vollversammlung ist, in diese Gruppe gelost wurde, löst sportpolitische Irritationen aus. Wird Belarus sein Heimspiel gegen Kosovo auch in Serbien ausrichten wollen?

An Geisterspielen jedenfalls scheint kein Mangel zu herrschen.

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