Piratenpolitiker zur „Gema-Vermutung“: „Die Gema ist extrem unflexibel“

Wer öffentlich Creative Commons Musik spielen will, hat viel zu tun: Die Gema fordert einen Nachweis über die freie Nutzbarkeit. Der Pirat Christian Hufgard will das ändern.

Die Tariferhöhung hat die Gema unbeliebter und freie Musik beliebter gemacht. Bild: dapd

taz.de: Herr Hufgard, Sie sind gegen die Gema-Vermutung. Die besagt, dass Veranstalter der Gema nachweisen müssen, gemafreie Musik zu spielen, wenn sie keine Gebühren abführen wollen.

Die Piraten haben da noch keine feste Position, aber wir bereiten für den Bundesparteitag entsprechende Papiere vor, um Beschlüsse zu bekommen, die die Gema-Vermutung abschaffen. Wir halten es nicht mehr für zeitgemäß, dass Veranstalter einen riesigen Aufwand betreiben müssen, um sich von den Gebühren eines privaten Vereines zu befreien.

Sie sagen privater Verein, aber die Gema kommt doch einem staatlichen Auftrag nach.

Ja, aber sie hat diesen Auftrag nicht gepachtet. Es gibt da auch andere Modelle, in den USA beispielsweise gibt es mehrere Verwertungsgesellschaften. Auch in Deutschland bauen sich Alternativen auf, C3S zum Beispiel, das ist eine Initiative für eine offene Verwertungsgesellschaft.

Sie sprechen davon, dass die Gema auf unzähligen Veranstaltungen Gema-Gebühren für Gema-freies Repertoire kassiert. Von wievielen Veranstaltungen sprechen wir da?

CHRISTIAN HUFGARD, Jahrgang 1979, ist Sprecher der Piratenpartei in Hessen und Vorsitzender des Vereins „Musikpiraten“.

Sehr schwierig zu sagen. Es gibt keine Zahlen dazu.

Verschiedene Veranstalter, die CC-Partys organisieren, haben mir im Vorfeld gesagt, dass man zwar keine konkreten Zahlen wüsste, aber alle lagen in ihren Schätzungen bei unter hundert Veranstaltungen im Jahr.

Das kann sein, aber viele Veranstalter scheuen auch einfach die Mühe, die eine offizielle CC-Party mit sich bringt. Dann zahlt man lieber die hundert Euro an die Gema, statt eine Liste aller gespielten Künstler zu erstellen, damit die Gema dann sicherstellen kann, dass keiner bei ihr unter Vertrag ist.

Kürzlich erreichte eine Petition im Bundestag mit mehr als 50.000 Unterzeichnern das Quorum um vom Petitionsausschuss geprüft zu werden. Sie fordert: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die sogenannte GEMA-Vermutung (§13c UrhWahrnG) aufzuheben und somit die Umkehr der Beweislast als unzulässig zu erklären.“

Gibt es eine Möglichkeit, abzuschätzen, über wie viele Lieder wir da ungefähr reden?

Es gibt die großen Portale, insbesondere jamendo. Bei „jamendo pro“ kann man rechtlich nachprüfen lassen, ob es sich tatsächlich um einen frei verfügbaren Track handelt; da sind momentan 120.000 Titel gelistet.

Die Gema betreut meines Wissens 700.000 Veranstaltungen im Jahr. Wenn wir davon ausgehen, dass es unter hundert CC-Partys gibt und 120.000 frei verfügbare Lieder, auf die man relativ problemlos zugreifen kann: Ist dann die Forderung nach einer Abschaffung der Gema-Vermutung nicht unverhältnismäßig?

Die Gema ist extrem unflexibel, was freie Musik anbelangt. Das liegt unter anderem daran, dass sie ein Monopolist ist: in den USA zum Beispiel, wo es mehrere Verwertungsgesellschaften gibt, kann man einzelne Titel frei herausbringen. In Frankreich und Schweden gibt es ähnliche Pilotprojekte. Das heißt: Es geht auch flexibler. Diese „ganz oder gar nicht“-Mentalität soll aufgebrochen werden, das wäre auch im Interesse der Mitglieder.

Außerdem wäre das natürlich im Sinne der Veranstalter. Nach den jüngsten Tariferhöhungen überlegen sich ja doch einige Clubs und Bars, wie man zumindest bei einzelnen Veranstaltungen um die Gema herumkommt. Aber weil es wahnsinnig schwierig zu beweisen ist, dass man keine Gebühren zahlen muss, verzichten die meisten einfach auf den Schreibkram. Wenn man eine Veranstaltung macht, wird schon davon ausgegangen, dass sie Gema-pflichtig ist.

Ich zitiere mal Ihren Parteifreund, Johannes Ponader: „Die GEMA-Vermutung führt heute ständig zu einer unfairen Bereicherung der GEMA an Werken.“ Aber die Gema hat doch gar nichts von dem Geld, die verteilt das ja weiter.

Naja, fünfzehn Prozent zieht die Gema an Verwaltungskosten ein. Das ist im deutschen Vergleich schon extrem hoch, andere kommen mit acht Prozent aus. Der Vorstandsvorsitzende der Gema, Dr. Harald Heker, hat sich vor kurzem sein Gehalt auf 40.000 Euro im Monat erhöht. Das durchschnittliche Gema-Mitglied bekommt ein Siebtel ausgezahlt. Klar machen sie keinen Gewinn, aber es gibt viele, die davon profitieren; zum Beispiel leistet sich die Gema ziemlich viele Angestellte. Da heißt das ja nicht viel, dass am Ende die Null steht.

Das spricht für eine Verwaltungsreform, aber nicht für eine Abschaffung der Gema-Vermutung. Wenn man die jetzt abschaffen würde, würden die bürokratischen Kosten ja deutlich steigen weil die Gema selbst jede Veranstaltung überprüfen müsste.

Das sehe ich nicht so. Am Ende ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, die Verwaltung zu straffen. Außerdem ist da die Verwaltung kein Hexenwerk: es braucht eine Liste der Mitglieder, und dann bekommt man mit einer einfachen Datenbankabfrage alle notwendigen Informationen. Wir sind der Überzeugung, dass man das auch automatisiert lösen kann. Klar, da müsste man einmal Geld ausgeben. Aber ich sehe da Spielraum, wenn man die Gehälter reduzieren würde. Dem Künstler bliebe dann kein Euro weniger

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