Optionszwang wird aufgeweicht: Bremen will den Doppelpass

Junge Bremer sollen sich nicht mehr zwischen zwei Pässen entscheiden müssen. Ein Erlass definiert, wann beide erlaubt sein könnten.

Soll in Bremen bald leichter möglich sein: zwei Pässe für einen Menschen. Bild: dpa

BREMEN taz | Bremen will mehr jungen Menschen, die sich nach Bundesgesetzen zwischen der deutschen Staatsbürgerschaft und der ihrer Eltern entscheiden müssen, zu einem Doppelpass verhelfen. Dazu hat Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Mittwoch einen Erlass unterschrieben und vorgestellt, der für seine Behörde definiert, unter welchen Umständen sie das Beibehalten beider Pässe erlauben kann.

Nach Baden-Württemberg ist Bremen damit das zweite Bundesland, das auf Landesebene versucht, die sogenannte Optionsverpflichtung abzumildern. Nach dieser müssen sich diejenigen, die zwei oder mehrere Pässe besitzen, mit der Volljährigkeit für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Bis sie 23 werden, haben sie dafür Zeit, dann werden sie automatisch ausgebürgert. Das im Jahr 1999 unter der rot-grünen Bundesregierung verabschiedete Gesetz greift erstmals seit diesem Jahr und hat bundesweit bereits zu Ausbürgerungen geführt.

In Bremen waren bis Ende vergangenen Jahres 260 Personen von der Optionspflicht betroffen, sagt Rainer Gausepohl, Sprecher des Bremer Innensenators. 153 von ihnen hätten noch nicht reagiert, alle anderen hätten sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden und 46 von diesen hätten bereits die andere abgegeben.

Betroffen seien zu 90 bis 95 Prozent Kinder türkischer Eltern, so Gausepohl. Doch ausgerechnet dieser Gruppe kann der Erlass kaum helfen, da er vor allem dann Erleichterungen bringt, wenn es Probleme gibt, die andere Staatsbürgerschaft los zu werden. „Wir können mit dem Erlass nicht die Optionspflicht aufheben“, so Gausepohl, „wir können aber definieren, unter welchen Umständen die Abgabe oder der Verzicht den Leuten nicht zuzumuten ist.“ Beispielsweise, wenn dies mit Kosten verbunden ist, die 640 Euro übersteigen, oder mit hohem Aufwand verbunden ist. Besonders schwer machen es laut Gausepohl die nordafrikanischen Länder ihren BürgerInnen, außerdem Libanon, Syrien, Irak, Iran und Afghanistan.

Erleichterungen „sinnvoll“

Weil es Bremen aber mit dem Erlass auch um ein politisches Statement gegen die Optionspflicht geht, hat es weitere Ausnahmen ermöglicht, die auch über die Regelungen in Baden-Württemberg hinausgehen. So ist der Doppelpass dann erlaubt, wenn jemand als Asylberechtigter anerkannt war oder in einem Land, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt, nicht registriert ist, wovon laut Gausepohl auch TürkInnen betroffen sein können. Oder wenn ein Staat die Abgabe der Staatsbürgerschaft an die Bedingung knüpft, dann einen Militärdienst zu absolvieren oder sich von ihm freizukaufen.

In Bremen wurde der Erlass positiv aufgenommen. Die Fraktionssprecherin der oppositionellen Linken, Kristina Vogt, lobte Mäurer für den Vorstoß, sagte aber auch, sie erwarte von den rot-grün regierten Bundesländern, dass sie jetzt über ihre neue Mehrheit im Bundesrat die Abschaffung der Optionspflicht durchsetzen. Dies hatte Bremen in der Vergangenheit mehrmals erfolglos versucht, Mäurer zeigte sich zuversichtlich, dass es jetzt gelingen werde.

Auch von der CDU, genauer von der Jungen Union, gab es Zustimmung. Deren Landesvorsitzender Daniel Buljevic, der sich erst im August gegen den Doppelpass ausgesprochen hatte, fand die Erleichterungen „sinnvoll“. Rechtlich problematisch sei aber eine Formulierung, die mit der Unzumutbarkeit nichts zu tun habe. Danach soll einen Doppelpass behalten, wer Elternteil eines Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit ist. Die CDU glaubt, dass der Besitz von zwei Staatsangehörigkeiten die Integration verhindert.

Optionspflicht abschaffen

„Entschuldigung, aber das ist Unsinn“, sagt dazu der 15-jährige Samar Hayat. Er ist in Deutschland geboren und hat aufgrund der Herkunft seiner Eltern nur den pakistanischen Pass, möchte aber auch den deutschen haben. „Ich fühle mich fifty-fifty“, sagt er, sowohl als Pakistaner als auch als Deutscher. Warum zwei Pässe dazu führen sollen, dass er sich dem deutschen Staat weniger verbunden fühlt, versteht er nicht. „Ich bin integriert genug“, sagt er. Außerdem findet er es ungerecht, dass EU-Bürger beide Pässe haben dürfen und er nicht.

Deshalb sei er sofort Feuer und Flamme gewesen, als er in seinem Informatik-Kurs an einer Bremer Gesamtschule die Möglichkeit hatte, ein Projekt zum Doppelpass zu machen. Dabei entstand eine Broschüre, die jetzt in einer Auflage von 10.000 Stück in Bremen als Unterrichtsmaterial verteilt werden soll. Die Schüler – ein reiner Jungskurs – hatten nach Durchsicht der Statistiken herausgefunden, dass in Bremen im Bundesvergleich nur wenige die doppelte Staatsbürgerschaft bekommen.

Auch Schleswig-Holsteins Landesregierung bereitet eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts vor. In Niedersachsen kündigt das Innenministerium unter dem neuen Minister Borius Pistorius (SPD) an, „alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen“, den Optionszwang abzuschaffen und den Doppelpass einzuführen. Dazu gehöre auch das Modell Bremens. Denn das Ziel der rot-grünen Landesregierung ist klar: „Wir wollen die Optionspflicht abschaffen und die doppelte Staatsbürgerschaft wieder möglich machen“, wie Pistorius erklärte. Alles andere sei „ein Anachronismus, der nicht mehr in unsere zusammenwachsende Welt passt.“

Neben der Prüfung rechtlicher Möglichkeiten auf Landesebene will Niedersachsens Innenminister noch in diesem Jahr eine Bundesratsinitiative zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft mit anderen Bundesländern erarbeiten. So haben es SPD und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.