Letztes RAF-Mitglied in Haft: Birgit Hogefeld wird freigelassen
18 Jahre saß sie wegen mehrfachen Mordes im Knast. Obwohl sich Hogefeld von der RAF losgesagt hatte, waren ihre Gnadengesuche ohne Erfolg. Jetzt wurde ihre Strafe zur Bewährung ausgesetzt
FRANKFURT/MAIN dapd | Die ehemalige RAF-Terroristin Birgit Hogefeld kommt auf freien Fuß. Ihre Reststrafe werde zur Bewährung ausgesetzt, teilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Freitag mit.
Die unter anderem wegen mehrfachen Mordes verurteilte Hogefeld habe im Juni 18 Jahre ihrer lebenslangen Freiheitsstrafe verbüßt. Der zuständige 4. Strafsenat habe nunmehr nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Verurteilten beschlossen, die Reststrafe zur Bewährung auszusetzen.
Noch vor gut einem Jahr hatte der damalige Bundespräsident Horst Köhler ihr bis dahin zweites Gnadengesuch abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt war Hogefeld das letzte inhaftierte RAF-Mitglied.
Letzte RAF-Generation
Die am 23. Juli 1956 geborene Birgit Elisabeth Hogefeld gehörte zur letzten RAF-Generation. Sie war 1984 abgetaucht, Jahre nach dem Tod der "Gründer" Andreas Baader und Ulrike Meinhof und auch deutlich nach den Festnahmen der führenden Mitglieder der so genannten zweiten RAF-Generation um Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt.
Nach neun Jahren im Untergrund wurde sie am 27. Juni 1993 auf dem Bahnhof von Bad Kleinen festgenommen. Ihr Komplize Wolfgang Grams kam dort bei einem Schusswechsel mit der GSG 9 um, ebenso wie der Polizist Michael Newrzella.
Nach einem langen Prozess wurde Hogefeld schließlich wegen mehrfachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sah es als erwiesen an, dass sie 1985 an der Ermordung eines jungen US-Soldaten und an dem Sprengstoffanschlag auf den Frankfurter US-Militärflughafen beteiligt war, bei dem zwei Menschen starben.
In dem Prozess rief Hogefeld Ende 1996 die RAF öffentlich zur Auflösung auf: Der Kampf sei gescheitert. Im April 1998, kurz bevor das Urteil gegen sie rechtskräftig wurde, bezeichnete sich die RAF in einer von den Ermittlern für authentisch gehaltenen Erklärung tatsächlich für aufgelöst: "Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte."
Zuletzt im offenen Vollzug
Der gerichtlich erkannten Schwere ihrer Schuld tat das keinen Abbruch. Nachdem Köhler bereits 2007 ihr erstes Gnadengesuch abgelehnt hatte, gab auch das Oberlandesgericht Frankfurt im Juli 2008 einem Antrag Hogefelds auf vorzeitige Haftentlassung nicht statt. Zwar habe sie sich vom Terrorismus in deutlicher Form losgesagt, und ihr Verhalten in der Haft sei tadellos. Die Schwere der Schuld lasse aber derzeit noch keine vorzeitige Haftentlassung zu.
Nach Angaben des Gerichts hat die ehemalige Terroristin während der Haft ein Studium an der Fernuniversität Hagen erfolgreich abgeschlossen. Im offenen Vollzug hatte zudem sie ein Verlagsvolontariat absolviert.
Leser*innenkommentare
J. Alfred Prufrock
Gast
"Ohne umfängliche Aussagen, keine Freiheit.
Ohne klare Abkehr vom Terrorismus, ebenso
keine Freiheit.
Gnade nur gegenüber dem Geläuterten mit
aktiver Hilfe für die Armen."
In Deutschland hat man als Beschuldigte/r das Schweigerecht, und das ist auch gut so. Davon Gebrauch zu machen kann nicht in einem lebenslangen Freiheitsentzug resultieren. Man muss auch nicht bekennen/abschwören/beichten/um Vergebung bitten, da derlei Aussagen a) schwer überprüfbar und b) im Sinne des Gesetzes zwar nicht unerheblich, aber sekundär sind. So was nennt man Rechtsstaatlichkeit und wenn du das aufheben willst, kann man nur froh sein, dass du die Entscheidung nicht zu treffen hast.
Ein Gnadengesuch ist ein anderes Kapitel, aber auch mit "aktiver Hilfe für die Armen" hat das wenig zu tun.
"15 Jahre Haft + 3 Jahre extra ist für
Fanatiker nicht abschreckend genug, um
nicht wieder eine neue Terroristengeneration
heranzuziehen. Die Zeiten
der ökonomischen Instabilität wären dafür,
wie gemacht."
Dass Strafe eine abschreckende Wirkung hat, ist ein merkwürdiger Mythos, der sich hartnäckig hält, obwohl trotz einer Jahrtausende währenden Tradition der Bestrafung noch immer und überall Verbrechen begangen werden.
Die "Zeiten ökonomischer Instabilität" könnten genauso auf eine Rechtradikalisierung der Gesellschaft hinausdeuten wie in den 1930ern. Trotzdem können wir nicht einfach prophylaktisch alle rechtsgesinnten Bürger festnehmen oder über bereits Festgenommene drakonische Strafen verhängen, nur um eventuell zu verhindern, dass eventuell was passiert.
"Es ist nicht vermittelbar, dass notorische
Räuber unter Sicherungsverwahrung gestellt werden,
und echte Terroristen nach 15 Jahre ein
normales Leben aufbauen können.
Die Schwere der Tat wiegt auf Seiten der bombenle-
genden Mörder."
Sicherungsverwahrung hat nichts mit der Schwere der Schuld zu tun. Bei der Sicherungsverwahrung geht es um den Schutz der Gesellschaft vor Tätern, die nicht besserungsfähig oder -willig sind. Insofern kann eine geläuterte Terroristin durchaus entlassen werden und ein notorischer Räuber in Verwahrung bleiben.
"Diese Rechtssprechung
hat eindeutig sexistische Tendenzen zugunsten
der Frau und verniedlicht Kapitalverbrechen,
Terrorismus."
Zu den angeblichen "sexistischen Tendenzen" fällt mir nun wirklich gar nichts mehr ein. Und 18 Jahre Haft sowie den Terrorismus- und Raf-Diskurs in Deutschland als "Verniedlichung" zu bezeichnen zeugt bestenfalls von Ignoranz und Unwissen, mehr nicht.
hanserlpeters
Gast
Mutmaßlichen Bombenlegern
und ideologisch motivierten Fanatikern
kann ich nur sehr schwerlich Mitgefühl
entgegenbringen.
Sie können ganze Staaten in den Abgrund
reißen. Wenn diese Irren, Nachahmer
aquirieren können, stehen uns
schreckliche Jahrzehnte bevor.
Die Ausschaltung dieses Risikos, ist
in diesem Fall wichtiger als das Individualwohl.
Da Terroristen eine erheblich
zerstörerische Wirkung auf den Rechtsstaat,
sensible Technologien u. Menschenmassen
haben als zum Beispiel Räuber und Erpresser
oder gar Kinderschänder.
Die Brandanschläge auf Berliner Polizeifahrzeuge
könnten vielleicht auch mit Haftentlassungen
ehemaliger weiblicher RAF-Mitglieder motiviert
worden sein.
Lieber weniger Vorratsdatenspeicherung
und polizeiliche Sonderrechte, aber dafür
auch weniger Milde gegenüber Terroristen.
Ohne umfängliche Aussagen, keine Freiheit.
Ohne klare Abkehr vom Terrorismus, ebenso
keine Freiheit.
Gnade nur gegenüber dem Geläuterten mit
aktiver Hilfe für die Armen.
15 Jahre Haft + 3 Jahre extra ist für
Fanatiker nicht abschreckend genug, um
nicht wieder eine neue Terroristengeneration
heranzuziehen. Die Zeiten
der ökonomischen Instabilität wären dafür,
wie gemacht.
Es ist nicht vermittelbar, dass notorische
Räuber unter Sicherungsverwahrung gestellt werden,
und echte Terroristen nach 15 Jahre ein
normales Leben aufbauen können.
Die Schwere der Tat wiegt auf Seiten der bombenle-
genden Mörder. Diese Rechtssprechung
hat eindeutig sexistische Tendenzen zugunsten
der Frau und verniedlicht Kapitalverbrechen,
Terrorismus. Eine sehr dumme Justiz ist das.
Ulf G. Stuberger
Gast
Warum "Obwohl sich Hogefeld von der RAF losgesagt hatte, waren ihre Gnadengesuche ohne Erfolg"? Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: 1. Die lebenslange Haft ist mit dem Grundgesetz vereinbar, 2. sie kann bis zum Tod vollstreckt werden, 3. wenn ein verurteilter Mörder ausnahmsweise vorzeitig freigelassen werden soll, geht das nur auf seinen Antrag hin, den er frühestens nach Ablauf von 15 Jahren Haft stellen kan. Soll dem stattgegeben werdewn, muss ein Gutachter eine positive Prognose für eine straffreie Zeit in Freiheit erstellen. Und nun kommt, was auch in den Medien meist weggelassen wird: Der Gutachter kann nicht nur, nein er muss sich in seinem Gutachten entscheidungserheblich damit befassen, ob der Antragsteller während der bislang erlittenen Haftzeit das Unrecht seines Tuns eingesehen und seine Tat bereut hat. Wer nicht konkret sagt, was er konkret getan hat, kann das Unrecht seines Tuns nicht einsehen. Frau Hogefeld schweigt über ihre konkrete Tat wie alle anderen RAF-Mitglieder. Trotzdem sind alle RAF-Mörder vorzeitig freigelassen worden. Kollektivschuld ist in Deutschland seit dem Ende der Nazizeit abgeschafft, ein Bekenntnis zu kollektiv begangenen Taten ist also nicht ausreichend.
Penstock
Gast
Verschwörungsgeschwafel. Gähn.
AlterKnacker
Gast
Vergleicht man die Verbrechen der RAF mit denen heutiger Terroristen vom Schlage George W. Bush, dann sympathisiere ich immer noch mit der RAF und ich lehne von Haus aus Gewalt generell ab. Für die Mitglieder der RAF und auch für die Sympathisanten war es ein Krieg gegen die ‘Gewalt’ und Ungerechtigkeit der Nachkriegsgeneration. Ich persönlich konnte schon aus dem einfachen Grunde nicht mitmachen, weil ich Gewalt absolut ablehne und diese Art der Auseinandersetzung schon im Vorfeld der Diskussionen, die sich bis ins Unendliche gezogen haben, mit gemacht habe und was noch schlimmer dabei war, mein Weltbild sowie mein Bildungsstand waren zu dieser Zeit alles andere als ‘vorzeigbar’ für diese Revoluzzer aus der Mittelschicht. Aber sie selbst wähnten sich im Krieg.
Der wichtige Rest hier: http://freies-in-wort-und-schrift.info/2011/06/11/war-es-krieg-oder-waren-es-simple-verbrechen-aus-gier/
Oliver Mesh-hadi
Gast
ist in der Tat lesenswert, wenn auch an vielen STellen nachweislich überzogen.
Den Namen eines Ermordeten hier zu benutzen, ist aber nicht gerade geschmackvoll...
Hans Martin Schleyer
Gast
Zum Thema die dritte RAF-Generation und Birgit Hogefeld empfele ich das Buch "Das RAF-Phantom". Wird Ihnen die Augen öffnen.