Kommentar Konsumschecks: Gutscheine ja, aber nicht für Reiche

Kosumgutscheine können die Krise abmildern. Weitaus sinnvoller wäre es jedoch, endlich den viel zu knapp bemesssenen Hartz IV-Regelsatz zu erhöhen.

Nicht nur die Krise, die in den USA begann, hat Deutschland erfasst. Auch die Gegenmaßnahmen werden nun von dort importiert. Linke SPD-Politiker, aber auch aufgeklärte Ökonomen schlagen vor, dass die Bundesbürger Anfang kommenden Jahres Konsumgutscheine erhalten sollen. Ein paar hundert Euro vom Staat würden die Kaufbereitschaft heben und die Rezession zurückschlagen, so das Kalkül. Diese Debatte belegt: Im Gegensatz zu den jahrelangen ermüdenden Diskussionen zwischen Neoliberalen und Keynesianern hat in Deutschland ein neuer politisch-ökonomischer Pragmatismus Einzug gehalten.

Ja, Konsumgutscheine können ein Mittel der Wirtschaftspolitik sein. Sie mögen dazu dienen, die Krise abzumildern. Aber die Befürworter sollten sich auch über die Begrenztheit ihres Konzepts im Klaren sein. Denn eine Frage stellt sich sofort: Wer soll das Geld bekommen?

Wenig Sinn hat es, mit der Gießkanne 40 Milliarden Euro zu versprühen. Wer so viel Geld mobilisiert und eine entsprechende Staatsverschuldung in Kauf nimmt, muss die Mittel gezielt einsetzen. Das heißt: Bundesbürger, die 6.000 Euro brutto verdienen, brauchen keine Konsumschecks, Millionäre ebenso wenig. Diese Bevölkerungsgruppen schränken ihren Konsum angesichts der Krise sowieso nicht ein.

Das Geld darf nur an Menschen fließen, die knapp bei Kasse sind. Hartz-IV-Empfänger, Niedriglohnbeschäftigte und Teilzeitarbeiter tragen jeden zusätzlichen Euro in die Geschäfte. Wer die beginnende Rezession wirksam bekämpfen will, unterstützt deshalb diese Leute.

Längerfristig gesehen aber wird es nicht ausreichen, einmalig einen Konsumgutschein an Erwerbslose auszugeben. So richtig die Initiative zunächst wäre, sie allein kann das Problem nicht lösen. Konsequent im Sinne des neuen Pragmatismus wäre es, endlich mit dem Dogma zu brechen, dass 356 Euro pro Monat reichen müssen, um sich vernünftig zu ernähren und zu kleiden. Der Hartz-IV-Regelsatz verhindert ein menschenwürdiges Leben. Er ist zu niedrig. Wer ihn anhebt, tut gleichzeitig etwas gegen die Wirtschaftskrise. Höhere Hartz-IV-Zahlungen sind permanente Konsumgutscheine.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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