Kolumne Die eine Frage: Sylvie oder Sabia?

Eine moralästhetische Frage zur Vermessung der Gegenwart und die schwierigste Wahl des Jahres: Van der Vaart oder Boulahrouz?

Sylvie van der Vaart und Sabie Boulahrouz bei der Premiere zum Film „Heute bin ich Blond“. Bild: dpa

Frustrierende Wochen liegen hinter mir, in denen ich vergeblich versuchte, mit Menschen über eine wirklich schwierige Wahl zu reden. Nix zu machen. „Mir völlig wurscht, beide nicht mein Typ“, sagte mein Freund Minki. „Du hast die verdammte Bürgerpflicht zu wählen“, erwiderte ich streng. „Dann gehe ich eben ins Gefängnis“, brummte er. „Mit den beiden kannst du mich echt jagen.“

Andere sagten, sie hätten genug davon, das „kleinere Übel“ zu wählen und außerdem keine Ahnung, wer das kleinere Übel sei. Leute. Ich habe doch nur eine Frage: Sylvie oder Sabia?

Das hat auch überhaupt nichts damit zu tun, dass Männer bei zwei Frauen im Raum immer überlegen, mit welcher sie ins Bett gehen würden – zumindest im Notfall. Es ist vielmehr eine moralästhetische Frage zur Vermessung der Gegenwart. Wie Böll oder Grass. Netzer oder Overath. Adorno oder Precht. Flackernder Blick nach links und rechts, Zittern in der Stimme: „Ich weiß ja nicht mal, wer Sabia ist.“ Ja, klar.

Billionen winzigster Wesen in und auf uns bestimmen, wer wir sind. Aber wie genau? Die Titelgeschichte "Du bist nicht allein" lesen Sie in der taz.am wochenende vom 7./8. September 2013 . Warum Überwachung die Autoimmunerkrankung der Demokratie ist, erklärt die Philosophin Leena Simon. Und: Heide Oestreich und Stefan Reinecke beschreiben die Merkel-Maschine. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Also bitte, einer muss es sagen: Sylvie van der Vaart (blondhaarig) ist die in Trennung lebende Frau des Hamburger Fußballprofis Rafael van der Vaart (braunhaarig). Sabia Boulahrouz (schwarzhaarig) ist die neue Frau von Rafael. Und seither die Exfreundin von Sylvie. Außerdem die in Trennung lebende Frau des ehemaligen HSV-Profis Khalid Boulahrouz. Alles ganz normal. Doch laut uns Medien kommen nun „immer mehr Details ans Licht.“ In Medien. Das finden wir Medien bedenklich.

Das wichtigste Detail aber kommt exklusiv hier ans Licht: //twitter.com/sylvievdervaart/status/285850216270278656/photo/1:Es gibt ein grandioses Bild, das die drei in der Silvesternacht zeigt und also vor dem partnerschaftlichen Revirement (siehe Google). Alle drei teuer angezogen, topfrisiert, strahlend und eng umschlungen, Sabia allerdings näher an seiner Schulter, Sylvie näher Richtung Kamera. Es ist ein ikonografisches Werk unserer Zeit: eine nette Inszenierung – und alles Illusion.

Oder doch nicht? Bei allen berechtigten Zweifeln ist es ergreifend, wie sie sich zusammen, teils sinnlich, teils geistig, dem Beschauer darbieten und den Sturm der Leiden und Leidenschaft durch Anmut und Schönheit mildern. Auf den zweiten Blick fällt – trotz der fehlenden Söhne – die verblüffende Ähnlichkeit mit der Laokoon-Gruppe auf.

Die Kopfhaltung des niederländischen Fußballers ist sogar identisch mit der des trojanischen Priesters. Es geht eine unheilvolle Spannung von dieser Dreierkonstellation aus. Eine erschütternd prickelnde Unmoral. Und wie Lessing es damals und dort nicht konnte, so kann auch heute und hier noch niemand sagen, wer die überlebende Schlange sein wird. An seinen Augen sieht man indes, dass der Fußball-Priester spürt, dass er verloren ist. Aber bedauert er es?

Zurück zur Frage: Unter emanzipatorischen Gender-Aspekten muss man einräumen, dass Sylvie neben Aufzucht von Fußballer und Kind eine erhebliche berufliche Karriere gemacht hat (TV-Moderatorin und Model) und damit die alten Klischees von der Spielerfrau überwindet. Sabia dagegen hat ihre berufliche Karriere als Go-go-Tänzerin aufgegeben, um sich ganz dem Job als Spielerfrau zu widmen.

Also Sylvie? „Hmmmm, schwierige Wahl“, mailt mir gerade noch eine Freundin. „Ich finde beide extrem blöd – aber Sabia scheint ja wirklich dem Fass den Boden auszuschlagen.“ Tja. Der Mensch ist nun mal, wie er ist. Meine Wahl: ganz klar Sabia.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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