Kolumne Blagen: Brandenburg: hundred points!

Die Einssechzigblondine hat es tatsächlich geschafft, gerade so eine Abipunkte-Punktlandung hinzulegen. Gott sei Dank.

Kürzlich fragte ich an dieser Stelle die geneigte Leserschaft um Rat. Pädagogischen Rat wohlgemerkt. Es war so, dass die Einssechzigblondine meine Freigebigkeit (und Blödheit) dahingehend ausgenutzt hatte, dass ich ihr beim Schrei-Versand drei mögliche Abi-Kleider per Vorkasse gekauft hatte. Sie fand alle „scheiße“, schickte sie aber nicht zurück, sondern berief sich auf ein quasi ewig währendes Rückgaberecht, dessen Frist sie schon noch einhalten würde.

Nichts dergleichen geschah. Statt dessen verlor ich den Nervenkrieg, schickte das Zeug zurück, brüllte zu Hause ein bisschen rum und hatte das Gefühl, ein pädagogisch versagender Vollspaten zu sein, der sich allen Ernstes einen Kleinkrieg mit einer konsumorientierten Jung-Frau lieferte. Was tun?, fragte ich die Leserschaft. Und es ward mir Antwort. Vielen Dank, hoch geschätzte InteressentInnen!

Man kann im Kontakt mit dem Leser leicht unterscheiden zwischen Theoretikern und Praktikern. Praktiker sind jene, die unter selbtsironischem Glucksen auch mal das eigene Scheitern am Kind einräumen und einem schreiben, wie joghurtleicht ihre Beziehung zu ihren inzwischen erwachsenen Töchtern und Söhnen ist. Auch jenen, die ihr ausgeklügeltes Taschengeldsystem offenlegen, samt allen Sonderregelungen und Desastern, gilt mein Dank und Respekt.

Unter Theoretikern finden sich dann jene, die zwar selbst mal Kinder waren (und sich in dieser Lebensphase sicher nicht immer vorbildlich gegenüber Mama benommen haben), heute aber gern ihr Erwachsenensein dadurch anedeln, dass sie andere Mamas scheiße finden und ihnen das auch nicht vorenthalten.

Sehr gern las ich Mails, in denen ich aufgefordert wurde, endlich mal das Gespräch mit meiner Tochter zu suchen – man könne das beschriebene Elend, die zwischenmenschliche Kälte und den Zynismus nicht länger ertragen.

Dieser Ratschlag ist nett gemeint, aber sinnlos. Denn alles, was ich bislang geschrieben habe, entspricht der Wahrheit. Der genervte Ton der Einssechzigblondine, die Laptop-Handy-Fernbedienung-Grundhaltung, die verschimmelten Frühstücksbrote und ja, auch die Alkohol- und Drogenexzesse.

Dass wir uns nebenher auch wirklich gut verstehen und dieser Mensch mich beglückt und fasziniert, versteht sich ja wohl von selbst. Aber ich dachte, dies bedürfe keiner besonderen Erwähnung. Zudem hatte ich den Eindruck, dass Texte über harmonische Gulaschessen eher nicht das ihnen zweifellos gebührende Maß an Aufmerksamkeit erlangen.

All jenen, die echte Emotionalität, das familiäre Ying und Yang vermisst haben, teile ich hier also mit, dass die Einssechzigblondine, ihr Vater und ich gerade eine mehrwöchige Phase echter emotionaler Ebbe überstanden haben. Denn die junge Dame hat es tatsächlich geschafft, gerade so eine Abipunkte-Punktlandung hinzulegen. Brandenburg: hundred points! Nicht mehr. Aber Gott sei Dank nicht ein Punkt weniger.

Sonst hätten wir nämlich ein weiteres Gymnasiumsjahr vor uns gehabt. Und das, ich versichere es Ihnen, liebe Leser, wäre nicht so anekdotisch und launig in der Couch-Position verlaufen wie das letzte. Weiß Gott! So aber sind die Einssechzigblondine und ich gemeinsam losgezogen und haben ein Hundred-Points-Kleid gekauft. Ich habe gern bezahlt. Die Praktiker können ermessen, wie gut wir beide uns gefühlt haben.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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