Knausgård als Theaterinszenierung: Mit Kochtopf und Selbstzweifel

Regisseurin Yana Ross hat „Sterben Lieben Kämpfen“ nach Karl Ove Knausgård am Berliner Ensemble inszeniert. Das Stück lässt einen ratlos zurück.

Einige Darstellungen schauen von der Bühne theatralisch in die Ferne

So macht Theater keinen Spaß: „Sterben Lieben Kämpfen“ am Berliner Ensemble Foto: Matthias Horn

Im letzten Band seiner autobiografischen Romanreihe thematisierte Karl Ove Knausgård die von den Büchern heraufbeschworenen innerfamiliären Konflikte. Reichlich kokett hieß es da über seine Kinder: „Ich werde mir selbst nie vergeben, was ich ihnen angetan habe, aber ich habe es getan, ich muss damit leben.“

Dass er vielleicht auch nicht hätte tun können, was er tat, spielt in diesem Denken und Schreiben ersichtlich keine Rolle und kann wohl auch keine spielen, denn dann wäre natürlich auch kein Buch, keine Kunst da, und folglich würde auch nicht der Erzähler Knausgård existieren, der sich hier Seite für Seite selbst erschafft.

Diese Haltung erinnert an Menschen, die ihre Taten mit einem Bekenntnis zur eigenen Authentizität erläutern, die „Ich bin halt so“ sagen, oder sich Frank Sinatras „I did it my way“ als Begleitmusik zur eigenen Beerdigung wünschen. Es ist diese Fixierung auf das Eigene, mit der die Adaption am Berliner Ensemble dem Kern des Stoffs durchaus nahekommt.

Die Begründung fehlt

Denn auch Yana Ross’ Inszenierung liefert keine Begründung dafür, warum nun, da der Hype doch schon ein paar Jahre vorbei ist, unbedingt eine Knausgård-Adaption fürs Theater herauskommen muss. Sie erklärt auch nicht aus sich heraus, warum in ihr zu welchem Zeitpunkt was passiert. Oder warum es überhaupt die Mühe lohnen sollte, einen norwegischen Schmerzensmann und Literaturstar auf die Maße eines leidlich sympathischen Trottels zusammenzustutzen.

Denn genau das passiert hier. Und zwar einfach so. Hauptdarsteller Gabriel Schneider taumelt über die mit mehreren Podesten ausgelegte Bühne, ringt mit dem Kinderwagen, dem Kochtopf, den Selbstzweifeln, lässt sich von seinem Vater (Paul Herwig) einschüchtern und von seiner Gattin (Kathleen Mor­geneyer) anschreien. Damit ist der größte Teil der Handlung des Abends „Sterben Lieben Kämpfen“ zusammengefasst, der Teile von dreien der fünf Romane enthält.

Zu Beginn betritt Cynthia Micas im schwarzen Frack als Conférencier die Bühne, heißt das Publikum willkommen, zitiert eine Passage aus „Mein Kampf“, in der Hitler Spekulationen über den Einfluss von Räumen auf die Wirkung von Theaterstücken anstellte, und verabschiedet sich wieder mit der Frage, was das mit Knausgård zu tun habe. Durchaus gerne hätte man es erfahren, verlässt das Haus aber später so ahnungslos wie zuvor, behält diese Inszenierung ihre Geheimnisse doch grundsätzlich für sich.

Schlicht unangenehm

Etwa auch das, warum es notwendig ist, Paul Celans „Todesfuge“ in voller Länge vorzutragen. Recht unvermittelt lesen Micas und Schneider sie vor, in einem Ton, den man vielleicht als eindringlich bezeichnen könnte, wenn die Szene nicht schlicht unangenehm wäre. Und zwar, weil hier keinerlei Gespür oder überhaupt Interesse an der literarischen historischen, politischen und moralischen Bedeutung dieses Gedichts erkennbar wird.

Einer der ganz wenigen Texte der deutschen Literatur der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, dem man zweifellos kanonischen Wert beimessen muss, wird hier einfach hergesagt und hergezeigt für – ja, für was überhaupt? Für den Effekt? Für den Sound? Als Holocaust-Marker? Die Motivation bleibt einmal mehr völlig unklar.

Logisch, es geht in „Kämpfen“, dem letzten Band der Reihe, auch um das sogenannte Dritte Reich, aber – mit Verlaub – Knausgårds seltsame Engführung des eigenen Werks mit dem Werdegang Hitlers ergibt in der Wiederholung auf der Bühne kein bisschen mehr Sinn als im Buch.

Da klagt Gabriel Schneider in einer Szene als junger, mittelloser Adolf sein Leid und scharwenzelt zwischen den anderen Spielern umher, die in feinem Zwirn zusammenstehen und ihre Sektgläser auf den Boden leeren. Da singen sie unvermittelt das britische Soldatenlied „Hitler has only got one ball!“

Da ist dann nach reichlichen zweieinhalb Stunden recht unvermittelt Schluss. Ein anstrengender, ein unbefriedigender Theaterabend.

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