Klage vor dem Bundesverfassungsgericht: Sachsen-Anhalt gegen Gentech-Gesetz
Wieviel Schutz vor Gentech-Pflanzen erlaubt das Grundgesetz? Ende Juni beraten die Verfassungsrichter über ein Gesetz von 2004. Sachsen-Anhalt hatte vor vier Jahren Klage eingereicht.
BERLIN afp/taz | Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wird am 23. Juni über das so genannte Gentechnik-Gesetz beraten. Das teilten die Richter am Mittwoch mit. Das von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2004 verabschiedete Gesetz regelt den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Eingereicht wurde die Klage bereits vor vier Jahren von der damaligen schwarz-gelben Regierung Sachsen-Anhalts.
Der frühere Wirtschaftsminister des Landes, Horst Rehberger (FDP), bemängelte 2005, die Schutzregelungen seien "mit den Grundrechten der Berufsfreiheit, der Wissenschaftsfreiheit, dem Eigentumschutz und dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar". Nicht nur Anbau, auch die versuchsweise Freisetzung zu wissenschaftlichen Zwecken sei dadurch zu einem "unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risiko" geworden, so Rehberger.
Das Wirtschaftsministerium sieht unter anderem in den sogenannten Regeln zur guten fachlichen Praxis eine unzulässige Einschränkung der bäuerlichen Berufsfreiheit. Diese Regeln legen fest, wie Gentech-Bauern ihre Umgebung vor der möglichen Verunreinigung durch Pollen zu schützen haben. Im Gesetz werden etwa Mindestabstände, Sortenwahl oder Nutzung von natürlichen Pollenbarrieren genannt. Besonderer Schutz gilt für ökologisch sensible Gebiete, bei denen die Naturschutzbehörden eingreifen können.
Gegenstand der Klage ist auch die Haftungspflicht für Gentech-Bauern bei der Verunreinigung von Nachbarfeldern. Derzeit haften Landwirte, die gentechnisch-veränderte Pflanzen anbauen, auch dann für wirtschaftliche Schäden auf benachbarten Feldern, wenn sie die Regeln zur guten fachlichen Praxis eingehalten haben.
Sachsen-Anhalt beklagt außerdem die Pflicht, Grundstücke, auf denen Gentech-Pflanzen angebaut werden, in einem zentralen Register einzutragen. Mithilfe des so genannten Standortregisters können Landwirte und Imker herausfinden, ob ihren konventionell oder ökologisch hergestellten Produkten möglicherweise Verunreinigung durch den Pollenflug von Gentech-Pflanzen droht. Diese Veröffentlichungspflicht geht dem klagenden Land zu weit, weil sie "politisch motivierte Feldzerstörungen" begünstige.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte das Gentechnik-Gesetz damals gegen den erbitterten Widerstand von Opposition, Bundesländern und Industrie durchgesetzt, um konventionellen und Bio-Anbau auch dann noch zu ermöglichen, sollte der Anbau genetisch manipulierter Pflanzen einmal bundesweit Praxis werden.
Leser*innenkommentare
Martina Heuckeroth-Hartmann
Gast
Gentechnik
= Patente auf Pflanzen/Tiere
= Monopolisierung der Lebensmittelherstellung
= Versklavung der Menschen
Anette Roming
Gast
Wieso regen sich manche über die Machenschaften der Wissenschaftler und der dahinterstehenden wirtschaftlichen Interessen denn so auf? Sie pfuschen seit es die moderne Wissenschaft gibt, in der Schöpfung herum. Ich vermute, diese Menschen? sind so dämlich zu denken, Sie wären auf eine intakte Natur nicht angewiesen. Schade, daß die Bevölkerung und zwar ALLE! solche lebensverachtenden
Deppen nicht in die nächste Rakete setzt und auf den Mars schießt - ohne Equipment.
Bogdan Rink
Gast
Die Argumente von Herrn Rehberger machen auf mich einen ziemlich mageren Eindruck, z.B. das Argument der Wissenschaftsfreiheit. Wissenschaftsfreiheit muss vor allem dazu dienen die Wahrheit über das Sein zu untersuchen. Sie kann aber keine Rechtfertigung dafür bilden, dass man das Sein in jeder beliebigen Weise verändert. Es wäre ja auch unzulässig den Nationalsozialismus experimentellerweise z.B. in einem Landkreis einzuführen. Vielleicht würde das ja heutzutage etwas andere Folgen haben als in den Jahren 1933-1945. Der Unterschied ist, dass man im Falle des NS schon durch das Lesen entsprechender Schriften schlau werden kann, deshalb würde kein liberaler Verteidiger der Wissenschaftsfreiheit solche Experimente dulden. Bei der Gentechnik hingegen ist vieles unabsehbar. Aber schon allein die Tatsache, dass man in der Gentechnik die natürlichen Barrieren der biologischen Reiche überwinden kann, zeigt dass diese Technik eine menschliche Anmaßung ist, wenn man solche genmanipulierten Organismen in die Natur freisetzt.