Integration mit Kohl und Pinkel: Einbürgerung geht durch den Magen

Als vorbildlich integrierter Türke mit deutschem Pass gehe ich natürlich auch auf Kohl- und Pinkelfahrt. Es gibt nur ein paar kleine Änderungen.

Braunkohl, Pinkel, Rauchfleisch und Bratkartoffeln liegen auf einem Teller.

Ein Herzstück norddeutscher Identität: Kohl und Pinkel Foto: dpa / Carmen Jaspersen

„Osman, es hagelt plötzlich von überall Kritik, wir müssen uns noch mehr integrieren, verdammt“, sagt mein Kumpel Nedim in der Mittagspause.

„Ich bin doch integriert! Ich habe den deutschen Pass und war sogar gerade auf den Kanaren im Urlaub“, erwidere ich stolz wie Oskar.

„Du willst integriert sein? Da lachen ja die Hühner!“, gackert er, anders als es Hühner tun, sehr ironisch. „Osman, du hast dich ja nicht mal ansatzweise integriert. Hast du zum Beispiel jemals an einer Kohl- und Pinkelfahrt teilgenommen?“

„Was für’n Ding?“

„Kohl- und Pinkelfahrt! Hast du etwa noch nie auf der Straße diese Horden von besoffenen Männern gesehen, die einen Kinderwagen voller Alkoholflaschen hinter sich herziehen, alberne Spiele veranstalten und ahnungslose Passanten anpöbeln?“

„Klar, kenne ich die! Ich mache immer einen großen Bogen um die, damit sie mich nicht blöd anquatschen und zwingen, billigen Apfelkorn zu saufen.“

„Aber ohne die bescheinigte Teilnahme an einer Kohl- und Pinkelfahrt hättest du eigentlich nie den deutschen Pass bekommen dürfen! In Bremen gehört das mit zu den wichtigsten Einbürgerungskriterien!“

„Wirklich? Meinst du, die könnten mir meinen Pass wieder wegnehmen, falls das rauskommen sollte?“

„Danach essen wir statt des langweiligen Grünkohls lieber köstliche Döner und Pilav!“

„Klar! Aber du kannst es ja auch nachträglich in deine Akte eintragen lassen.“

„Meine Sachbearbeiterin Frau Kottzmeyer-Göbelsberg von der Ausländerbehörde wird das sicherlich sehr zu schätzen wissen. Nedim, machen wir diese Kohlfahrt mit deinem oder mit meinem Ford-Transit?“, freue ich mich.

„Osman, wir dürfen doch nicht fahren. Wir müssen bei diesem Schweinewetter stundenlang zu Fuß durch die Gegend latschen.“

„Wieso heißt es dann Fahrt, bitteschön? Zu Fuß finde ich es bei der Kälte aber überhaupt nicht schön – und dazu noch literweise kaltes Bier! Lass uns doch lieber leckeren heißen türkischen Tee mitnehmen.“

„Das ist gar keine so schlechte Idee bei den Temperaturen“, lobt mich mein Kumpel.

„Und danach essen wir anstatt des langweiligen Grünkohl und Pinkel lieber köstliche Döner und Pilav“, schlage ich hinzu vor.

„Osman, ich muss schon sagen, unsere Kohl- und Pinkelfahrt wird immer besser“, grinst Nedim wie ein gebratener Hammelkopf bis über beide Ohren.

„Und ich hab sogar noch eine weitere Verbesserung! Anstatt sich bei dieser Eiseskälte auf der Straße stundenlang den Hintern abzufrieren, lass uns doch unseren Tee lieber im türkischen Café trinken, dabei Backgammon spielen und danach gehen wir im Istanbul-Restaurant Döner und Pilav essen!“

„Osman, mein lieber Kumpel, ich gratuliere dir! Von einer besseren Kohl- und Pinkelfahrt habe ich noch nie gehört. Hoffentlich sieht die Ausländerbehörde das genauso.“

„Nedim, ich brauche die Frau Kottzmeyer-Göbelsberg doch nicht mit allen unnötigen Details zu belästigen. Damals bei der Einbürgerung habe ich es doch genauso gemacht!“

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