Humanitäre Katastrophe: Erneut starkes Beben in Afghanistan

Der Westen Afghanistans wurden von erneuten Erdstößen erschüttert. Mindestens 100 Menschen wurden verletzt, die Vereinten Nationen warnen vor einer Hungersnot.

Famiienfoto in einem am Mittwoch zerstörten Haus im besonders betroffenen Dorf Chahak.

Familienfoto in einem am Mittwoch zerstörten Haus im besonders betroffenen Dorf Chahak Foto: Ali Khara/reuters

HERAT dpa/ap | Der Westen Afghanistans ist am frühen Mittwochmorgen erneut von einem schweren Erdbeben erschüttert worden. Laut US-Erdbebenwarte USGS hatte das Beben eine Stärke von 6,3 und ereignete sich rund 28 Kilometer nordwestlich der Stadt Herat in einer Tiefe von zehn Kilometern. Die staatliche Nachrichtenagentur Bachtar berichtete von neuen schweren Schäden, zerstörten Häusern sowie mindestens 100 Verletzten.

In der Region waren am Wochenende bei mehreren Erdbeben laut Medienberichten, die sich auf offizielle Statistiken beriefen, fast 2500 Menschen gestorben oder verletzt worden. Das UN-Nothilfebüro OCHA hatte die Zahl der Todesopfer mit rund 1300 angegeben. Herat liegt in der gleichnamigen Grenzprovinz nahe dem Iran und ist nach Kabul Afghanistans zweitgrößte Stadt.

Am Samstagmorgen hatten mindestens acht Beben innerhalb kurzer Zeit die Grenzregion nahe dem Iran erschüttert. Die US-Erdbebenwarte USGS bezifferte die Stärke auf Werte zwischen 4,6 und 6,3. Die Erdstöße ereigneten sich nordwestlich von Herat in einer geringen Tiefe von rund zehn Kilometern. Am Montag wurden Erdstöße der Stärke 5,1 registriert.

Am Mittwoch wurde laut dem Sprecher des afghanischen Informationsministeriums eine Hauptverkehrsstraße wegen eines Erdrutsches unpassierbar. Im Dorf Chahak, das von den Beben am Samstag verschont geblieben war, wurden alle 700 Häuser zerstört. Aus Chahak gab es jedoch keine Berichte über Todesfälle. Die Menschen dort hatten aus Angst vor weiteren Beben wohlweislich in Zelten Zuflucht gesucht.

Frauen besonders betroffen

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, im Krankenhaus in Herat seien 117 Verletzte angekommen. Dort würden vier weitere Behandlungszelte aufgestellt. Zusätzliche medizinische Hilfsgüter seien unterwegs.

Bereits nach dem ersten schweren Beben war von vielen Dörfern in den staubigen Hügeln der Region bis auf Trümmer nicht viel übrig geblieben. Naib Rafi etwa, ein Ort mit ehemals etwa 2500 Einwohnern, ist nach Angaben der wenigen verbliebenen Bewohner fast ausgestorben.

Die Katastrophe am Samstag hätten nur Männer überlebt, die zum Zeitpunkt des Bebens im Freien arbeiteten. Deshalb waren Frauen besonders betroffen, da sie sich vor allem innerhalb der Häuse aufhalten müssen. Bagger hoben in den vergangenen Tagen lange Grabreihen aus, in denen die Toten bestattet werden sollten.

Immer wieder gibt es schwere Erdbeben in der Region, wo die Arabische, die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen. Bei einem verheerenden Beben kamen 2022 in Afghanistan mehr als 1000 Menschen ums Leben. Nach mehreren Jahrzehnten Krieg sind viele Häuser schlecht gebaut. Erdbeben richten daher oft große Schäden an.

UN-Welternährungsprogramm warnt vor geringer Hilfe

Derweil warnte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) wegen drastisch gesunkener Finanzmittel vor einer Hungersnot in Afghanistan. „Die Lage ist ziemlich hoffnungslos“, sagte der WFP-Regionaldirektor für Asien und den Pazifik, John Aylieff, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Programme für humanitäre Hilfe seien „drastisch unterfinanziert“.

Das WFP habe für Afghanistan 80 Prozent weniger Geld als vergangenes Jahr, sagte Aylieff. Statt 1,6 Milliarden US-Dollar stünden für Afghanistan nur 340 Millionen US-Dollar zur Verfügung. „15 Millionen Menschen in Afghanistan leiden aktuell Hunger, 13 Millionen wollten wir mindestens erreichen. Wegen fehlender Finanzierung mussten wir zehn Millionen Menschen davon die Hilfe streichen“, sagte er dem RND.

Durch den nahenden Winter werde es „besonders kritisch“: „Manche Bergdörfer sind durch den Schnee für bis zu sechs Monate von der Außenwelt abgeschnitten. Ohne Vorräte können sie nicht überleben“, sagte Aylieff. „Natürlich werden Menschen fliehen. Aber vor allem werden mehr Menschen sterben.“

Der UN-Vertreter forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, ihre Unterstützung für Afghanistan zu erhöhen. „Auch wenn die Taliban viele hochproblematische Entscheidungen treffen, muss die Humanität an erster Stelle stehen“, sagte er. Die Unterstützung für Afghanistan sei im Vergleich zu den Hilfen für andere Länder deutlich stärker gesunken. „Das entspricht dem Bedarf in keiner Weise.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.