Hamburgs Junges Schauspielhaus: Flaggschiff bleibt

Auch unter einer neuen Intendanz bleibt das Jugendtheater, sagen Hamburgs Kultursenator und Kandidatin Karin Beier. Eine Experimentierbühne soll es dennoch geben. Wie das gehen soll, ist noch unklar.

Will in Ruhe sondieren: Karin Beier. Bild: Schauspiel Köln

HAMBURG taz | Die Kölner Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier, derzeit für das Hamburger Schauspielhaus im Gespräch, hat sich gegen die Schließung des dortigen Jungendtheaters ausgesprochen. "Ich werde das Junge Schauspielhaus auf keinen Fall schließen! Ich bin selbst Mutter und weiß, wie wichtig es ist, Kinder früh ans Theater heranzuführen", sagte Beier. Am Abend davor hatte der Leiter des Jugendtheaters, Klaus Schumacher, bei einer Podiumsdiskussion die Befürchtung geäußert, ein neuer Intendant könnte die Spielstätte des Jugendtheaters, den Malersaal, als Experimentierbühne zurückfordern - "und das völlig zu Recht".

In der Tat dräut hier ein Problem, denn Intendant Friedrich Schirmer, der im September 2010 hinwarf, hatte das Junge Schauspielhaus - gemeinsam mit der damaligen Kinderkultur-freundlichen Kultursenatorin, Karin von Welck (parteilos), fest ans Große Haus angegliedert, aus dessen Etat finanziert und die Karten quersubventioniert.

Das Jugendtheater lief gut, bot bis zu 95 Prozent Platzauslastung, wurde zu renommierten Festivals eingeladen. Es wurde das Flaggschiff des ansonsten schwächelnden Schauspielhauses und war bundesweit eins der wenigen an eine große Bühne gebundenen Jugendtheater mit eigenem Ensemble.

Als eigene Spielstätte etabliert wurde das Junge Schauspielhaus im Herbst 2005.

Geleitet wird es von Klaus Schumacher, der zuvor das renommierte Bremer Kinder- und Jugendtheater "Moks" aufbaute.

Das programmatische Spektrum reicht von Macht und Unterdrückung über Heimat und Migration bis zu Generationskonflikten und aktuellen globalen Problemen.

Geehrt wurde das Haus mehrfach mit dem deutschen Theaterpreis. Zwei seiner Akteure erhielten bereits den Boy-Gobert-Preis.

Die Auslastung ist sehr gut: Fast alle Vorstellungen sind ausverkauft.

"Trotzdem", sagt Florian Vogel, künstlerischer Interims-Leiter des Schauspielhauses, "braucht man dringend eine Experimentierbühne. Dort kann man etwas ausprobieren und das Ensemble weiterentwickeln." Er schätze das Junge Schauspielhaus sehr, "aber das Fehlen einer Experimentierbühne war für uns alle eine harte Selbstbescheidung".

Die möchte Karin Beier, sollte sie - wie vom Senat gewollt - 2013 kommen, aufheben. "Eine Experimentierbühne braucht man zur Profilierung eines Hauses. Aber nicht im Austausch gegen das Jugendtheater." Der Vertragsentwurf, den Hamburgs Kulturbehörde ihr zugesandt habe, sehe den Erhalt des Jungen Schauspielhauses auch explizit vor. Genauer: die "Ansiedlung am Standort Gaußstraße", wie die Kulturbehörde am Freitag mitteilte. Ob damit ein Neubau oder die Mitnutzung der dortigen Experimentierbühne des Thalia Theaters gemeint sei, konnte Behördensprecher Stefan Nowicki nicht sagen.

Klar ist indessen, dass Karin Beier keinen Vertrag unterschreiben wird, der die vom Senat geplante Kürzung des Schauspielhaus-Etats um 1,2 Millionen vorsieht. Es sei zwar schmeichelhaft, für ein so großes Haus angefragt zu werden, sagt sie. "Aber dieses Theater ist extrem schwer zu stemmen. Und da müssen die Voraussetzungen so sein, dass man eine Chance hat. Und so, wie das Haus aktuell dasteht, hat man keine." Sie wolle keine "unmäßigen Forderungen" stellen. Aber sie habe während ihrer Kölner Intendanz gelernt, "sehr genau in Einzelposten zu definieren, wie viel ich brauche", sagt die 45-Jährige.

Zudem will sie nicht zwischen die politischen Fronten geraten und noch vor der Wahl am 20. Februar voreilig einen wackligen Vertrag unterschreiben. "Ich werde nächste Woche auch mit Oppositionspolitikern sprechen. Ich möchte einen Konsens aller Parteien."

Sie stehe nicht unter Zeitdruck und sei auch nicht auf ihre Karriere fixiert, sagt Beier. Außerdem gebe es da noch ihre Kölner Verpflichtungen: Ihr dortiger Vertrag läuft bis 2014. "Und in den letzten Tagen ist der moralische Druck zu bleiben hier stark gewachsen." Nicht nur Kulturdezernent Georg Quander hatte öffentlich auf der Einhaltung des Vertrags bestanden. Ab 2012 steht die Sanierung des Kölner Theaters an, die Beier maßgeblich mit durchsetzte - gegen den Widerstand der Politik, die einen großen, teuren Neubau plante. "Und die Interimszeit bis zum Wiedereinzug 2016 möchte ich wenigstens teilweise noch begleiten", sagt sie.

Auch Hamburgs Schauspielhaus wird in dieser Zeit renoviert, genauer: ab 2012. Dann wird man weniger, wird anders spielen müssen - aber das wollen Florian Vogel und Geschäftsführer Jack Kurfess, die laut Kulturbehörde die Interimsleitung fortführen sollen, sorgsam planen. "Es hat am Schauspielhaus schon oft Interimslösungen gegeben", sagt Vogel. Und die Rede von der ohne Intendanz schwindenden "Strahlkraft" verstehe er ohnehin nicht. "Der Spielplan für 2012 steht, und es wird keine qualitativen Einbußen geben."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.