Eiskunstlauf-WM in Moskau: Noch nicht ganz vom Eis befreit

Urlaub fällt aus: In Oberstdorf bereiten sich Eiskunstläufer aus fünf verschiedenen Ländern auf die nach Ostern beginnende WM vor. Sie sollte eigentlich im März in Tokio stattfinden.

Maylin Hausch will hoch hinaus. Bild: dapd

OBERSTDORF taz | Die italienische Vize-Europameisterin Carolina Kostner dreht in sich versunken eine Pirouette. Der deutsche Paarläufer Daniel Wende stürzt bei einem Sprung, erhält aber trotzdem ein Lob vom Trainer. "Schon besser, Daniel", ruft der von der Bande. Michal Brezina, tschechischer Meister, kommt in die Eishalle in Oberstdorf und verteilt ein paar Flaschen Mineralwasser an die Kollegen.

Es ist Eiszeit in Oberstdorf. Während draußen auf den grünen Almen Schlüsselblumen und Edelweiß blühen, bereiten sich in der Eishalle neun Eiskunstläufer aus fünf Nationen auf die Weltmeisterschaften vor, die nach Ostern in der russischen Hauptstadt Moskau beginnen. Doch den Sportlern sitzt vor dem Saisonhöhepunkt die Müdigkeit in den Knochen. "Wir haben eine lange Saison hinter uns", sagt der 26-jährige Wende, der mit seiner Partnerin Maylin Hausch, 22, zum dritten Mal an einer WM teilnehmen wird. "Im September war der erste Wettbewerb. Normalerweise hätten wir längst Saisonpause."

Für die beiden Sportsoldaten stünde eigentlich ein Lehrgang bei der Bundeswehr an und danach der heiß ersehnte Urlaub, bevor sie sich im Juni wieder ans Einstudieren des neuen Programme machen wollten. Denn normalerweise wäre die WM längst vorbei. Doch normal ist nichts in diesem Jahr. Die Internationale Eislauf-Union (ISU) hatte die WM für Ende März nach Tokio vergeben und wegen der dortigen Naturkatastrophe dann kurzfristig verlegt. Dank einem persönlichen Einsatz von Russlands Regierungschef Wladimir Putin, der die Übernahme aller Kosten aus dem russischen Staatssäckel zusagte, bekam Moskau den Zuschlag.

"Als das Erdbeben Japan zerstörte, saßen wir schon auf gepackten Koffern", erzählt Daniel Wende. Eine Woche später war der Flug geplant. Es dauerte noch zähe Tage, bis die ISU sich zu einer Absage der Titelkämpfe durchringen konnte.

Gemeinsam in den Club

Als die Entscheidung für Moskau fiel, musste umdisponiert werden. Der Urlaub für die WM-Teilnehmer fällt in diesem Jahr aus, weil es im Mai zur Bundeswehr geht und dann die neue Saison beginnt. Die Eiszeiten in Oberstdorf waren im April für internationale Lehrgänge für den Nachwuchs vergeben. Spitzensportler sind normalerweise in der Osterzeit vom Eise befreit.

Jetzt wurden ihnen Trainingszeiten um 7 Uhr morgens und um 21 Uhr abends zugeteilt. Dazu eine halbe Stunde in der Mittagspause. "Unser Trainer hat das in eine halbe Stunde gepackt, was wir sonst in einer Stunde absolvieren", sagt Paarläuferin Maylin Hausch, "das hat auch sein Gutes." Denn auch in Moskau steht ihnen zur Wettkampfvorbereitung nur ein Halbstundenintervall Eistraining zur Verfügung.

Die in Oberstdorf trainierenden Sportler sind miteinander befreundet. Dass sie für verschiedene Nationen antreten, macht das leichter, denn national sind sie keine Konkurrenten. Sie joggen nicht nur gemeinsam durch die Berge. Ab und zu entfliehen sie der Oberstdorfer Beschaulichkeit und gehen in Kempten in einen Club.

Noch schwieriger ist das mit den Eiszeiten in Chemnitz, wo die deutschen Titelkandidaten Aljona Savchenko und Robin Szolkowy trainieren. Hier wäre das Eis eigentlich im April abgetaut worden. Aus finanziellen Gründen. Doch die Stadtverwaltung hatte ein Einsehen mit ihren Vorzeigesportlern. Schließlich sollen die beiden ihren im Vorjahr verlorenen Weltmeistertitel gegen die starke russische und chinesische Konkurrenz zurückholen.

Maylin Hausch und Daniel Wende wollen unter die ersten zehn

Für die zierliche Maylin Hausch ist der Weltmeistertitel kein Thema. Gemeinsam mit Partner Daniel Wende will sie unter die besten zehn laufen. Bei ihren bisherigen WM-Starts waren ein 15. und ein 14. Platz herausgekommen, doch in diesem Jahr läuft es besser. In der Grand-Prix-Serie schaffte das Paar gar eine Bronzemedaille.

Durch den gemeinsamen Sport sind die beiden auch im Leben zu einem Paar geworden. "Da ist klar, dass die Harmonie unsere Stärke ist, wir kennen uns besonders intensiv", sagt Daniel Wende. Sie zeigen auch schöne Hebungen. Das Sprungrepertoire ist aber noch begrenzt.

Für Maylin Hausch ist es etwas ganz Besonderes, an Weltmeisterschaften teilnehmen zu können. Im Alter von 15 Jahren, sie hatte gerade mit dem Paarlaufen begonnen, erkrankte sie am Pfeifferschen Drüsenfieber. Das hieß: zwei Jahre kein Training.

Maylin Hausch musste alle Sprünge noch einmal lernen

Aber so unverhofft wie die Krankheit gekommen war, war sie zwei Jahre später wieder weg. Doch für Maylin Hausch war die Rückkehr zum Leistungssport noch weit. Sie musste nicht nur alle Sprünge und Schritte neu lernen. Sie musste auch mehr als zwei Jahre lang als Paarläuferin ohne Partner trainieren. Sie war in einem Alter, wo für die Partnersuche auch internationale Erfahrungen zählten, und die hatte sie nicht. Dass schließlich Daniel Wende, der schon mit Ex-Partnerin Rebecca Handke internationale Lorbeeren verdient hatte, das Wagnis mit ihr einging, war ein Glück. Und eines, das sich für beide schon jetzt gelohnt hat.

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