Debatte um Suizidbeihilfe im Bundestag: Es braucht kein neues Gesetz

Das bestehende Strafrecht schützt Patient*innen und Ärzt*innen bereits gut vor den Gefahren durch eine unverantwortliche Suizidhilfe.

Zwei Gesetzesbücher

„Wir brauchen kein neues Gesetz“ Foto: Friso Gentsch/dpa/picture alliance

Zu einer gesetzlichen Neuregelung für den 2020 außer Kraft gesetzten § 217 StGB hatte das Verfassungsgericht den Gesetzgeber weder aufgefordert noch verpflichtet: Der Bundestag könne eine solche beschließen, muss es aber nicht – und wenn, dann nur in „strikter Beschränkung“.

Das Grundrecht auf Suizid und Sui­zid­bei­hilfe prinzipiell im Strafrecht (Entwurf Castelucci) zu verankern würde bedeuten, es zu missbilligen und mit einem Drohpotenzial zu versehen. Dies liefe der Intention des Verfassungsgerichtsurteils zuwider und käme faktisch einem Suizidhilfeverhinderungsgesetz gleich, weil es freiverantwortliche Sui­zid­ent*innen ebenso wie zur Suizidbeihilfe bereite Ärz­t*in­nen abschreckte. Das kann und darf nicht gewollt sein.

Vulnerablen, also nicht freiverantwortlichen Menschen Suizidhilfe zu leisten, war, ist und bleibt eine Tötung in mittelbarer Täterschaft, die die bereits bestehenden Strafgesetze mit weit höheren Strafen belegen, als es der vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärte § 217 StGB je vorsah! Dies schützt Pa­ti­en­t*in­nen ebenso wie Ärzt*innen, die sich schon aus Gründen des Selbstschutzes hüten werden, Suizidhilfe anzubieten, wenn die Freiverantwortlichkeit des Suizidenten (fester Wille, Freiheit von Zwang, Nachhaltigkeit des Suizidwillens) nicht sichergestellt ist, im Zweifel durch ein psychiatrisches Gutachten.

„Eine freie Entscheidung“, so das BVerfG, „setzt zwingend eine umfassende Beratung und Aufklärung hinsichtlich möglicher Entscheidungsalternativen (z. B. Palliativmedizin oder Psychotherapie) voraus, um zu gewährleisten, dass der Suizidwillige nicht von Fehleinschätzungen geleitet wird.“ Damit ist Suizidbeihilfe in Fällen psychischer Krisen wie Liebeskummer ausgeschlossen.

Mein Plädoyer: Wir benötigen kein neues Gesetz, vielmehr Respekt vor dem Intimraum von Arzt und Pa­ti­en­t*in und Vertrauen in ärztliches Urteilsvermögen; und mehr Ärzte, die sich dem Anliegen nachvollziehbarer Suizidbeihilfe ihrer Pa­ti­en­t*in­nen öffnen.

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