Bundestagswahl in Berlin: Den Helfern bleibt keine Wahl

18.000 Berliner sollen dafür sorgen, dass die Wahl am 27. September reibungslos abläuft und alle Stimmen korrekt ausgezählt werden. Die meisten machen das - anders als geplant - nicht freiwillig.

Nicht immer wird hier freiwillig gearbeitet: das Wahllokal Bild: AP

Für die Bundestagswahl am 27. September sucht Berlin insgesamt 18.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer. Sie müssen an diesem Tag um 7 Uhr im Wahllokal sein und den Tagesablauf vorbereiten; sie kontrollieren die Ausweise der Wähler, geben Wahlscheine aus und zählen bis in den späten Abend hinein die Stimmen. Jedes Wahllokal hat einen eigenen Wahlvorstand mit idealerweise neun Wahlhelfern - falls sich genug finden.

Wie immer wirbt der Landeswahlleiter auf seiner Internetseite um Wahlhelfer. Doch nach Angaben der Senatsinnenverwaltung meldeten sich bei Wahlen zuletzt trotzdem lediglich 20 Prozent der benötigten Wahlhelfer freiwillig. "Demnach setzt sich der Großteil der Wahlhelfer aus dem Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes zusammen", heißt es als Antwort auf eine taz-Anfrage. Die meisten von ihnen werden zum Dienst im Wahlbüro verpflichtet. 21 Euro Entschädigung sind bundesgesetzlich zwingend vorgeschrieben. Im Land Berlin gilt: Wer aus dem öffentlichen Dienst kommt, erhält zusätzlich einen Tag Freizeitausgleich. Alle anderen Helfer bekommen zusätzlich 10 Euro.

Eine von ihnen - Kerstin M., in zurückliegenden Wahlen als Wahlhelferin tätig - empfindet das als ungerecht. "Die Arbeit würde mir Spaß machen, und deshalb juckt es mich in den Fingern, mich wieder zu bewerben", sagt die Ingenieurin. "Aber wenn ein ganzer Arbeitstag - den Mitarbeiter im öffentlichen Dienst als Ausgleich erhalten - von mir nur 10 Euro wert ist, sollen die ihren Stiefel doch allein machen", sagt sie. Sie kümmere sich dann lieber um ihre Kinder.

Der Innenpolitiker der FDP, Björn Jotzo, sieht Änderungsbedarf. "Die Zivilgesellschaft sollte ein Auge auf den Wahlvorgang werfen. Da sind Zwangsverpflichtungen ein unschönes Mittel." Jotzo, der aus seinem Wahlkreis in Charlottenburg-Wilmersdorf die Probleme bei der Besetzung von Wahlbüros kennt, fordert mehr Geld für Freiwillige, die nicht aus dem öffentlichen Dienst kommen.

Das findet die Innenpolitikerin der Regierungspartei Die Linke, Marion Seelig, auch wünschenswert. "Aber bei der gegenwärtigen Haushaltslage sehe ich keinen Spielraum." Die Alternative, über die Seelig nachdenkt: "Für Menschen im öffentlichen Dienst ist ein freier Tag verbunden mit einem sicheren Arbeitsplatz nicht das Schlechteste. Ich weiß nicht, ob es da noch eine Aufwandsentschädigung geben muss." Wenn die wegfiele, wäre mehr Geld für die anderen da. Aber, fügt Seelig hinzu: "Sie haben mich kalt erwischt. Ich habe nicht geprüft, ob das arbeitsrechtlich überhaupt geht." Notwendig hält es Seelig auch, unter Migranten für das Ehrenamt Wahlhelfer zu werben. Die nehmen bisher an der demokratischen Kontrolle der Wahlen kaum teil, weil nur wenige im öffentlichen Dienst beschäftigt sind.

Oliver Schruoffeneger von den Grünen sieht hingegen keinen Änderungsbedarf. "Der Wahlhelfer sollte ein Ehrenamt mit einer geringen Aufwandsentschädigung bleiben." Die 21 Euro für Verpflichtete aus dem öffentlichen Dienst seien ein Zuschlag für Sonntagsarbeit. Dazu sei das Land verpflichtet.

Ulrich Oesingmann vom Verband der Freien Berufe fordert, ausreichend Anreize zu schaffen, damit die gesamte Gesellschaft auch bei dem Kreis der Wahlhelfer abgebildet wird. "Wir brauchen eine neue Kultur des Ehrenamts."

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