Zwischen Zweck- und Kuschel-WG

Peter Heinzke, 74, Angelika Pohlert, 79, Shahla Feyzi, 70, betreiben Co-Housing in Köln-Nippes.

Gerade war die taz gegründet worden, da zog Angelika Pohlert in ihre erste Wohngemeinschaft. Leben und lieben, mit sechs anderen Leuten, und das auch noch auf dem Land, in einem Gutshaus in Kleve an der holländischen Grenze. „Solche unbürgerlichen Wohnverhältnisse waren nahezu anrüchig damals“, erzählt Pohlert und schmunzelt. 46 Jahre ist das nun her.

Heute ist das WG-Konzept völlig normal, vor allem in den Großstädten. Unter Rent­ne­r:in­nen bleibt es eher ungewöhnlich. Und das ist auch das Co-Housing-Projekt in Köln-Nippes, in dem Pohlert heute wohnt. Eine Freundin Pohlerts, Gisela Hauck, wollte nicht alleine wohnen, ebenso Shahla Feyzi, nachdem deren Tochter ausgezogen war. Sie war in den 1980er-Jahren aus dem Iran geflohen. In Teheran hatte auch sie im Studentenwohnheim gewohnt. Nun sind die drei Frauen im fortgeschrittenen Alter WG-Genoss:innen.

Der Vierte im Bunde ist Peter Heinzke. „Ich habe schon ein traditionelles Familienleben in einem Haus auf dem Land gehabt, in der Eifel“, sagt er. „Doch nach der Trennung von meiner Frau und dem Auszug der Kinder sehnte ich mich zurück in die Stadt.“

Also haben die vier mit einer Baugemeinschaft ein Wohnprojekt im Kölner Norden gegründet, in einer Neubausiedlung auf einem Gelände, das früher einmal eine Gummifabrik war. „Was gar nicht so einfach war“, erzählt Heinzke. „Es müssen sich ein paar Leute finden, die mutig sind, den Schritt zu gehen und Geld in die Hand nehmen.“ Dann wurde ein Haus gebaut, für das Co-Housing auf der zweiten Etage musste eine passende Eigentumsform entwickelt werden. Alles, was die korrekte Bürokratie eben so verlangt, 0,75 Garagenplätze für jeden und anderer Unfug, den keiner vorhergesehen hatte.„Doch nun haben wir es geschafft“, sagt Heinzke und meint damit „einen angenehmen Luxus in der Balance zwischen Zweck- und Kuschel-WG“.

„Es ist ein bisschen anders als damals in Kleve“, sagt Pohlert. „Das Alter bringt viel mehr Langmut mit sich.“ Über leere Milchkartons im Kühlschrank, schlecht geputzte Töpfe und zu laute Partys bis in die Morgenstunden muss sich hier niemand aufregen.

Die vier sind entweder in ihrer Gemeinschaftsküche zusammen, oder sie ziehen sich in ihren eigenen Bereich zurück, 40 Quadratmeter mit eigenem Bad. Dazu die Räume, die das ganze Haus nutzt: eine Dachterrasse, ein Gemeinschaftsraum, eine Werkstatt im Keller, die regelmäßig in ein Repair-Café verwandelt wird. „Wir haben im ganzen Haus eine gute Mischung an Leuten, die sich kennen, mögen und gemeinsam entscheiden, wie wir unser Zusammenleben gestalten“, sagt Heinzke. Und welche Anschaffungen man tätigt: Solar auf dem Dach, Weinreben an der Hausfassade, Vogelkästen auf den Balkons.

Angelika Pohlert hat sich übrigens gerade neu verliebt, „in Ulrich“ von Gegenüber. Kennengelernt haben sie sich im Rentner:innen-Café.

Philipp Brandstädter