Politische Bildung: Die Baustellen der Demokratie

Das einzige Institut für Didaktik der Demokratie an der Leibniz-Universität in Hannover erforscht Methoden und Aufgaben politischer Bildung heute.

Passanten vor dem Bundestag

Demokratie findet nicht nur im Parlament statt: Reichstagsgebäude in Berlin Foto: Sebastian Gollnow/dpa

HAMBURG taz | Das Institut für Didaktik der Demokratie an der Leibniz-Universität in Hannover gilt seit seiner Gründung 2013 als eines der ersten seiner Art. Vor Ort wird nach dem „Bottom up“-Prinzip der Didaktik das Forschungsfeld der Demokratiebildung untersucht und weiterentwickelt, um die Ergebnisse dann anzuwenden.

Wie genau das funktioniert, erklärt Dirk Lange, der Gründungsdirektor des Instituts. Die Mitarbeitenden des Instituts schauen, wo im Alltag um Demokratie gestritten, wo sie herausgefordert und ihre Werte neu gegründet werden.

Solche Verhandlungen demokratischer Werte erkennt Lange zum Beispiel in sozialen Bewegungen, Herausforderungen durch gesellschaftlichen Wandel wie Migration, in Debatten um Gender oder Postkolonialität sowie im Umgang mit aktuellen Krisen. Die Menschen befragen „die demokratischen Prinzipien, und daraus soll die Kompetenz entstehen, auch partizipativ Dinge mitzuentwickeln“, sagt der Direktor.

Von den ForscherInnen wird diese soziale Praxis als demokratischer Lernprozess interpretiert, der begleitet werden kann, um die Erkenntnisse in Bildungskontexte einzubetten.

Arbeit am Denken

Demokratie wird dabei als dynamisch und nicht nur institutionell begriffen, sondern sich selbst aktualisierend: „Demokratiebildung ist nicht etwas, das von oben gemacht werden muss, sondern eine urdemokratische Ressource, die in der Gesellschaft selbst angelegt ist“, sagt Lange.

„Diese Befragung und kritische Urteilskompetenz, ob die Wirklichkeit den demokratischen Prinzipien entspricht, in denen wir sie ausrichten wollen, gilt es, beständig zu fördern, um Demokratie zu reproduzieren.“ Dazu erforscht das Institut, wie Alternativen und Erweiterungen vorhandener Denkweisen angeboten und hergestellt werden können.

Konkret initiiert die Forschungsstelle Projekte, in denen Vorstellungen von Menschen und entsprechende didaktische Konzepte, etwa von LehrerInnen, erforscht werden, unter anderem über Verschwörungsnarrative, Fake News oder Männlichkeitsbilder von Jugendlichen.

Im zweiten Schritt entwickeln die ForscherInnen aus ihren Erkenntnissen Fortbildungsangebote und bieten sie in Webinaren oder Face to Face sogenannten MultiplikatorInnen wie LehrerInnen, TeamerInnen in der Jugendbildung, MitarbeiterInnen von Volkshochschulen oder Gewerkschaften an.

Demokratie gilt als dynamisch und nicht nur institutionell, sondern als sich selbst aktualisierend

Die digitalen und auch manche analogen Angebote sind auf der Website offen einsehbar und stehen allen interessierten Menschen kostenfrei zur Verfügung.

Vor Ort besuchen Schulklassen das Politiklabor, in dem sie sich mit aktuellen „Baustellen“ der Demokratie auseinandersetzen und darüber austauschen. Das Institut geht aber auch selbst in die Schulen und hilft dort bei Workshop-Ideen. Zuletzt holte sich eine Schule aus der Region für ihre drei Projekttage zum Thema „Demokratie“ Unterstützung ins Haus.

Ein auf drei Jahre angelegtes, größeres Projekt des Instituts geht über eine Bestandsaufnahme zur Demokratiebildung in Deutschland hinaus. Existierende Einrichtungen und Organisationen mit unterschiedlichen Ideen, Angeboten und Finanzierungen werden erfasst, daraus Rückschlüsse zu Lehr- und Lernzwecken der Demokratiebildung gezogen und vorhandene Konzepte weiterentwickelt.

Auch Grundlagenforschung nimmt einen wichtigen Teil der Arbeit des Instituts ein. Rund 30 MitarbeiterInnen veröffentlichen regelmäßig ihre Forschungsergebnisse und Dissertationen. Wissenschaftlicher Austausch und Kooperationsprojekte finden international mit Hongkong, den USA, Australien und Europa statt.

Finanziert wird das alles durch öffentliche Forschungsgelder, von EU-Programmen bis zu Landesministerien.

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